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Nahezu die gesamte Bandbreite des aktuellen Jazz boten im Oktober die 27. Leipziger Jazztage. Mit insgesamt 17 Konzerten warteten auf sechs verschiedenen Bühnen Newcomer neben Legenden auf, war freie Improvisation neben strenger Konzeption zu erleben.
Dabei blieb das Anliegen der Organisatoren, dem Jazzclub Leipzig mit seinem künstlerischen Leiter Bert Noglik, immer deutlich zu erkennen: die tragfähige Balance unterschiedlicher Strömungen des zeitgenössischen Jazz. So waren neben den Altmeistern Ron Carter, Jimmy Smith und John Surman junge Musiker wie die Berliner Formation Olaf Ton, der Pianist Jens Thomas oder die norwegische Kultsängerin Beate S. Lech zu hören, die mit Sicherheit den richtigen Weg eingeschlagen haben. Das schon zur Tradition gewordene Eröffnungskonzert in der Moritzbastei mit Soriba Kouyaté sollte der Auftakt für drei spannungsreiche Tage und Nächte sein. Die Band Olaf Ton war die Entdeckung des ersten Abends im ehrwürdigen Opern-haus. In Leipzig bereits durch das bundesweite Jazz-Nachwuchsfestival bekannt, bekamen die jungen Musiker jetzt die Gelegenheit, auf einem großen Festival zu spielen. Die Bandmitglieder studieren, bis auf den Trompeter Richard Koch (UDK Berlin), an der Berliner Musikhochschule Hanns Eisler und spielen zum Teil bereits seit zehn Jahren miteinander. Und das war den expressiven jungen Wilden – Durchschnittsalter Mitte Zwanzig – anzumerken. Frech, witzig und ohne Respekt bewegen sie sich zwischen osteuropäisch anmutender Blasmusik und experimentellen Ausbrüchen, ohne die Homogenität zu verlieren. Das vermögen nur virtuose Musiker. Sie haben es verstanden, das Publikum im voll besetzten Opern-Parkett „aufzumischen”, nachdem im ersten Teil des Abends die bezaubernde dänische Singer/Songwriterin Susi Hyldgaard mit ihren gefühlvollen Balladen zum Träumen verleitete. Dem Konzept der Leipziger Jazztage entsprechend, waren für den letzten Teil des Abends zwei Urgesteine des improvisierenden Jazz angesagt: der Saxophonist John Surman und der Schlagzeuger Pierre Favre. Hier war ein musikalischer Dialog zu erleben, der von Sich-Ergänzen, von Verspieltheit und Phantasie zeugt. Der dritte Festival-Abend gehörte zweifellos Ron Carter. Doch zuvor betrat der im englischen Exil lebende israelische Saxophonist Gilad Atzmon mit seinem Orient House Ensemble das Podium. Er bringt mit seiner Band jüdische und arabische Musiker zusammen und will damit Zeichen setzen. In ungewöhnlicher Besetzung spielt das Akkordeon eine besonders tragende Rolle. Es verleiht den anderen Instrumenten ein massives Klang-bild, oft glaubte man, auf einem fliegenden Teppich davon getragen zu werden. Der politisch engagierte und auch schreibende Musiker thematisiert und kritisiert den israelisch-arabischen Konflikt auf seine Art. Die Spannung des Abends sollte allmählich gesteigert werden. Bevor Ron Carter nun endgültig die Bühne betrat, verlangte das aus San Francisco stammende ROVA Saxophone Quartet dem Publikum wahre Nervenstärke ab. Für ein Festivalprojekt fand sich das Quartett mit den beiden europäischen Schlagzeugern Paul Lytton und Raymond Strid zusammen. Hier traf strenge Struktur mit spontanem Spielprozess zusammen, und konnte eigentlich nur das durch zeitgenössisch-expressiven Jazz geschulte Ohr erreichen. Die vier brillianten Musiker beeindruckten mit einem kompakten Zusammenklang und wirkten vielleicht deshalb akademisch. Ron Carter (unser Titelfoto) zählt zu den mittlerweile einflussreichsten und profiliertesten Jazzern. Die zahlreichen Plattenproduktionen – es sind um die 2.500 (!), auf denen er mitwirkte –, brachten ihn mit den bedeutendsten Musikern zusammen, allen voran Miles Davis. Der 66-jährige Ausnahmemusiker brachte sein Quartett „Foursight“ mit nach Leipzig. Seit 18 Jahren spielen sie zusammen, aber von Routine war nichts zu spüren. Er baut mit seinem Piccolo-Bass für seine Musiker ein solides Fundament und findet genügend Raum zur tieftönenden Improvisation. Und auch der letzte Festivaltag sollte Überraschungen bringen. Den Festivalorganisatoren ist es gelungen, neben Ron Carter einen weiteren Nestor des Jazz nach Leipzig zu holen, den König der Hammond-Orgel Jimmy Smith. Die aktuelle Band des heute 78-Jährigen „Champ”, ist mit Phil Upchurch an der Gitarre , Herman Riley (Tenorsaxophon), Jonathan Wood (Bass) und Jimmy Jackson (Schlagzeug) besetzt. Smith konnte sich bedingungslos auf sie verlassen. Und das ist es, worauf es im Jazz ankommt. Barbara Lieberwirth |
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