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„Schrecklich!“, stöhnt Richard Bona und verdreht die Augen. „Was mich am Reisen nervt, ist nicht nur, dass es mir die Zeit stiehlt, es macht mich auch total unruhig. Ich darf ja im Flugzeug nicht spielen, und ich muss dauernd spielen.“ Bei der Überreise von New York nach Europa hatte der Kameruner Bassist und Sänger, der „Sting Afrikas“, wie er heute gerne medienwirksam genannt wird, richtige Entzugserscheinungen. Und als er dann sein geliebtes Baby am Zielflughafen wieder in Empfang nahm, hatte sein Instrument beim Transport zu allem Überfluss auch noch Schaden genommen. Das war, als hätte ein Kind von ihm Verletzungen davongetragen. Beim Interview lehnt der arme lädierte Korpus in Griffweite an der Wand. „Als mich jemand in New York mal besucht hat, amüsierte er sich darüber, dass mein Bass in meinem Bett lag und er fragte mich, ob ich ernsthaft mit dem Instrument neben mir schlafe. Ich antwortete ihm: Klar, der Bass bleibt bei mir, bei Tag und Nacht.“ Ein ungewöhnliches Kuscheltier. Die Beziehung, die Richard Bona zu seinem Bass aufgebaut hat, ähnelt der von John Coltrane, der sein Saxophon fast nie aus dem Mund nahm.
Mit 14 begann für Bona und den Bass die Liebesgeschichte, nachdem ihn eine Aufnahme von Jaco Pastorius zunächst in einen Schockzustand versetzte. Zuvor hatte der aus einer Familie von Musikanten und Griots stammende Richard bereits Balaphon, Kirchenorgel, Percussion und Gitarre gespielt. Bevor sein Lebensalter die Zweistelligkeit erreichte, war er längst Profi. Das Geld, das er verdiente – Peanuts. Seine erste Gitarre hat er sich selbst gebaut. Nicht mal die Saiten konnte er sich leisten, und so klaute er in einem Fahrrad-Geschäft einfach Bremskabel als Ersatz. Manche Kinnlade ist heruntergeklappt, als Joe Zawinul in seiner Gruppe Syndicate vor ein paar Jahren einen jungen neuen Bassisten aus Afrika vorstellte. Mit ungeheuerlicher Technik verblüffte der das Publikum, wichtiger aber war, dass er sein ganzes Herz in fast jeden Ton legte. Kein Wunder, dass plötzlich alle mit ihm spielen wollten. Erstaunlicherweise hat er seine Fertigkeiten auf keinem seiner bislang drei Alben in den Mittelpunkt gerückt. „Ich möchte Geschichten erzählen mit der Musik. Ich höre auf mein Herz. Ich glaube, das Zurschaustellen von Virtuosität ist eine eher westliche Konzeption. Ich sehe Musik als Ganzes, nicht als Bass-Solo.“ Auch auf seinem neuen Album „Munia – The Tale“ (Emarcy) geht es nicht um die Befriedigung des Egos. Bonas CD ist vielmehr eine Umarmung der Welt, ein charmanter Mix von Klängen der verschiedensten Genres und Regionen. „Ich sehe diese Welt als ein einziges Land. Die Grenzen, die wir kennen, sind von Politikern gezogen worden. Ich bin nicht mehr Afrikaner als Europäer oder Amerikaner. Ich stecke 24 Stunden in der Musik, und Musik kennt keine Länder, keine Grenzen, keine Hautfarben. Sie trägt eine spirituelle Botschaft in sich, die wir noch genau ergründen müssen. Ich glaube, ich sollte eine Musik-Religion gründen. In der gibt es nur zwei Regeln: Liebe und Respekt“, sagt Richard Bona mit einem Strahlen. „Apropos Respekt: mich hat in New York mal ein afrikanischer Journalist besucht, und er fragte mich, warum ich nicht wieder Musik mache wie zu meiner Jugendzeit. Und ich sagte ihm: ich lebe jetzt in Manhattan und die Musik ändert sich mit den Lebensumständen und dem Umfeld. Ich könnte hier nicht wie damals in Kamerun einfach auf den Bürgersteig gehen und mir bei offenem Feuer mein Mittagessen kochen. Da käme sofort die Polizei. Wenn ich leben wollte wie in Afrika, würde ich in Afrika leben!“ Text und Foto: Ssirus W. Pakzad
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