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Vom Siegeszug des Laptops war die Rede und vom Vorherrschen der Elektronik. Beim diesjährigen Jazz-Festival Willisau – dem einzigen seiner Art in der Schweiz, das sich entschieden mit aktuellem Jazz beschäftigt – dominierten tatsächlich jene Gruppen, die die Möglichkeiten der Elektronik ausleuchteten – auf unterschiedliche Weise freilich. Dem Schweizer Sextett „Kubus“ war daran gelegen, wie es hieß, „der Dancefloor-Kultur eine Bresche zu schlagen“, das norwegische Trio „Kroyt“, hochgelobt in seinem Land für eine „Popmusik für das 21. Jahrhundert“, sorgte für Wechselbäder aus Trip Hop, Jazz und Pop – frappierend vielleicht Vibraphonist Dyvid Bradisegg – und für Pierre Audetat war der Sampler das wichtigste Instrument. In seinem Projekt mit Brad Shepik (g) und Mark Feldman (v) legte der Westschweizer einen Teppich von Ambient-Funk und groovenden Miniaturen, Lichtblitzen und fetten Bässen aus, über den die Amerikaner solierten. Am überzeugendsten im elektronischen Urwald war „Tonus“, das Projekt des Schweizer Reedspielers Don Li. „Time Experience“ basierte auf einem Satz Albert Einsteins, der in repetitiven Mustern zerlegt wurde. Auch der Duo-Nachmittag in Willisau zollte dem Festival-Schwerpunkt Respekt: von Molvaer hatte man nichts anderes erwartet, auch nicht von Bugge Wesselthoft und Sidsel Endresen. Dass aber Bassist Miroslav Vitous und Gitarrist John Abercrombie, ein glänzend harmonierendes Duo, sich auf elektronische Spielereien einließen, war dann ärgerlich und überflüssig. Wem nützt ein monotoner Teppich aus harmlosen Sounds und vertrackten Beats? Insgesamt Sprache in feste Melodik, Harmonik und Rhythmik umzusetzen, wie vielfach geschehen, könnte elektronische Experimente legitimieren. Selbst der Pianist Jason Moran, der mit seinem Solo-Konzert einen einsamen Höhepunkt in Willisau feierte, inspirierten Show-Einlagen zu Sprach-Samples. Stimmen zweier Züricherinnen in „Schwy-zerdütsch“ hatte Moran durch raffinierte und präzise Klavierbegleitung zu einer inspirierten Komposition verarbeitet. In Hut und Nadelstreifenanzug erinnerte der Pianist an alte Zeiten. Er spannte einen virtuosen Bogen von James P. Johnson zum Free Jazz, spielte auch Kompositionen von Brahms und Ligeti, zitierte Monk und erinnerte an seinen Lehrer Jaki Byard. Stilistisch ließ sich Jason Moran nicht festlegen, er schwebte über allem und allen. Eine unerhörte Klangvielfalt erzeugte auch Altmeister Anthony Braxton. Wie gewohnt geriet sein Solo auf dem Altsax konzentriert, nie sich in Zitaten verlierend. In einem angestimmten Marschthema rauschte kurzfristig eine Lockerheit auf, die sich schnell wieder in einer großartigen Improvisation über „All The Things You Are“ verlor. Die gut aufgelegte Mingus Big Band erinnerte abschließend an einen anderen großen Jazzmusiker, der 1976 Gast war in Willisau: Charles Mingus. Ein Star, der einst gefeiert wurde, enttäuschte diesmal: David Murray. „Munter vorwärts mit Blick zurück“ hatte Festival-Chef Niklaus Troxler verkündet und letztendlich Recht behalten. Die Zukunft des seit 1975 bestehenden Festivals steht in den Sternen, da ein neuer Sponsor noch nicht gefunden ist. Für die Jubiläums-Ausgabe im nächsten Jahr wäre das schade. Reiner Kobe |
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