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Journalisten kennen das zur Genüge: Interviews in aseptischen Konferenzräumen oder sterilen Hotelzimmern. Und nach exakt 45 Minuten kommt ein Promoter in den Raum und gibt einem mit deutlichen Handzeichen zu verstehen, dass die Zeit gekommen ist, die Stoptaste des Aufnahmegeräts zu drücken. An diesem schönen Spätsommertag läuft es einmal ein wenig anders – wohl auch, weil der, um den es geht, nicht mehr in der Maschinerie der großen Plattenfirmen steckt, sondern jetzt in Sachen Selbständigkeit unterwegs ist. Der Keyboarder, Sänger und Produzent George Duke kommt ganz gemütlich auf eine Runde Kaffee und Kekse bei mir vorbei, um in privater Atmosphäre über seine letzten Aktivitäten zu sprechen. Drei oder vier Tage weilt der ehemalige Cannonball-Adderley-Pianist, Frank Zappa-Keyboarder, Fusion- und Funk-Gott nun schon in Deutschland. An good old Germany hat er die besten Erinnerungen, denn schließlich nahm hier, genauer gesagt im Schwarzwald, seine Karriere einen wichtigen Schritt. Dort war das Label MPS beheimatet.
„Wer weiß, wo ich heute wäre, hätte ich damals hier in Deutschland von MPS nicht die Möglichkeit erhalten, mich als Künstler zu entwickeln und erst einmal herauszufinden, wer ich eigentlich überhaupt bin als Musiker“, sagt George, an einem chocolat chip-cookie mümmelnd. „Wenn du heute mit deinen ersten beiden Alben keinen Erfolg hast, bist du erst mal weg vom Fenster – und ich habe damals wahrlich keine großen Hits gelandet. Heute bekommt niemand die Zeit zugestanden, sich zu entwickeln. Es stehen nur Leute um einen herum, die einem sagen, was man anziehen, wie man aussehen und dann vor allem – wie man klingen soll. Dann kreieren sie ein Image um dich herum und alle wollen mitreden – nur der Künstler selbst darf nicht. Als ich anfing, schienen fast alle Musiker noch das Ziel zu haben, einen eigenen unverwechselbaren Ausdruck zu finden. Ich vermisse diesen Drang nach Individualität. Ich glaube kaum, dass solche Helden von mir wie Miles Davis oder John Coltrane je einen Hit im Visier hatten. Denen ging es darum, ihre Ideen auf ein stets neues Level zu bringen. Und darum geht es auch auf meinem Label.“ Womit wir beim Thema wären. Vor kurzem hat George Duke seine eigene Firma gegründet. Die Buchstaben BPM stehen dabei nicht etwa für das obligatorische „beats per minute“ sondern für „big piano music“. Vertrieben wird das Label in Europa über das holländische Challenge-Label und in Deutschland dadurch über Sunny Moon. „Für die Entscheidung, ein eigenes Label zu gründen, gab es zum einen sicherlich geschäftliche, vor allem aber auch kreative Gründe. Vor zwei Jahren hätten mich keine zehn Pferde dazu gekriegt. Aber dann schaute ich immer wieder auf all das unveröffentlichte Material von mir, das vermutlich nie an die Öffentlichkeit kommen würde. Ausschlaggebend für meine jetzige Selbständigkeit aber war, dass die A & R-Leute meiner alten Plattenfirma mich unbedingt in eine Smooth Jazz-Ecke drängen und mir einen Produzenten vor die Nase setzen wollten. Darauf habe ich nur geantwortet: Leute, ich bin jetzt deutlich über 50. Ich glaube längst zu wissen, was ich musikalisch will, und das ist es bestimmt nicht. Daraufhin haben sie mir einen fairen Ausstiegsdeal angeboten“, sagt George mit zufriedenem Gesichtsausdruck und gönnt sich noch einen Keks. „Mein Firmen-Motto? Ganz simpel: alles dreht sich um die Musik. Wir müssen wieder die richtigen Verhältnisse herstellen. Heutzutage geht es primär ums Business und dann kommt erst die Musik. Die Prioritäten müssen sich umdrehen und Künstler müssen wieder einen Ansporn bekommen, Musik aus anderen als monetären Gründen zu machen. Früher war es noch so, dass die Label-Bosse selbst die enthusiastischsten Musik-Fans waren. Sie haben sich halt um den geschäftlichen Kram gekümmert und haben den Künstlern freie Hand gelassen – so wie es im Idealfall sein sollte.“ Als in Musikerkreisen bekannt wurde, dass George Duke sein eigenes Label starten würde, stand sein Telefon nicht mehr still und sein Briefkasten wird seitdem täglich überfordert. „Oh Gott“, stöhnt George, als ich ihn darauf anspreche und schlägt sich die mächtige rechte Pranke an die Stirn. „Ich könnte mein Label ganz und gar mit namhaften Musikern bestücken, die alle mal einen fetten Major Company-Deal hatten. Und es werden täglich mehr, die von den großen Plattenfirmen hinaus komplimentiert werden. Die fragen jetzt natürlich alle bei mir an. Aber darum geht´s mir nicht. Ich möchte lieber einen neuen, unverbrauchten Künstler aufbauen, jemanden, der genug Chuzpe und Selbstvertrauen hat, einen, der bereit ist, neue Wege zu gehen, der einen ganz schönen Rummel verursachen wird.“ Wenn man George Duke so hört, könnte man glauben, dass er fortan nur noch extrem anspruchsvolle Musik vertreiben will. Doch das erste Werk auf BPM, sein Album „Face The Music“, zeigt auch, dass es dem Erzmusikanten schon immer wichtig war, künstlerische Integrität mit Kommerziellem zu paaren. Mancher lockere Groove und die Background-Gesänge stehen da sicher eher für letztgenannten Aspekt. Mit einem festen Quartett, zu dem etwa Bassist Christian McBride gehörte, hatte George Duke in L.A. zunächst eine Woche live gespielt, um dann ins Studio zu gehen. Dort wurde der Grundvierer um eine fette, raffiniert arrangierte Hornsection erweitert. Bei „Face The Music“ geht George Duke als Tastenspezialist endlich einmal wieder so richtig aus sich heraus. Er ist ausgiebigst am Fender Rhodes und am Wurlitzer zu hören. Und auch der gute alte Flügel wurde nicht kalt. Auf ihm brilliert Duke vor allem im Stück „My Piano“. „Ich hatte da eine Idee und dann wurde es mir ein wenig mulmig, weil ich nicht wusste, wie ich sie umsetzen sollte. „My Piano“ ist das ambitionierteste Stück der CD. Ich wollte einen Bogen schlagen, der von Mutter Afrika bis hin zu den verschiedensten Regionen und Stilen führt, von Trinidad nach New Orleans, vom Stride Piano zum Gospel und Funk. Ich wollte zeigen, welche Verbindungen da bestehen, gerade auch, was den Spirit betrifft. Das Stück hat mich so richtig gefordert. Hinterher war ich fix und fertig.“ Text/Foto: Ssirus W. Pakzad |
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