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Ein seltsames Paar: Richie Beirach, der ungestüme, massige Mann, und Ludmila Ulehla, die distinguierte alte Dame. Ihn hält es kaum auf seinem Stuhl, er schaukelt im Takt der Musik oder hantiert umständlich mit großformatigen Notenblättern. Sie blickt konzentriert, beinahe streng auf die Stücke, die ordentlich gefaltet vor ihr auf dem Tisch liegen. Zusammengeführt hat sie ein Kompositions-Workshop für die Jazzstudenten an der Hochschule für Musik und Theater Hannover. Zum ersten Mal konnten junge Musiker gleichzeitig von der immensen praktischen Erfahrung eines Jazzmusikers vom Formate Beirachs und von dem souveränen Überblick einer klassischen Komponistin profitieren. Ulehla, so war es geplant, sollte mit Analysen und Änderungsvorschlägen die studentischen Kompositionen verbessern, Beirach sollte die Stücke anschließend mit den Studenten einstudieren. Doch die Trennung erwies sich als Illusion: Zu verzahnt waren beide Prozesse und zu groß die Übereinstimmung zwischen Beirach und Ulehla, als dass sie sich nicht ergänzend und bereichernd ins Wort gefallen wären. Auch wenn manchem eine Kombination von Jazz mit klassischer Musik verdächtig anmutet, für Beirach ist sie unerlässlich: „Der Großteil der aktuellen Jazzmusik ist doch nur noch Dudelmusik, die nach dem immergleichen Schema abläuft. Ich halte es für sehr wichtig, dass auch Jazzstücke einen substantiellen kompositorischen Kern haben – und gerade hier kann man von klassischen Komponisten sehr viel lernen, den raffinierten Umgang mit Harmonien etwa oder interessante Formen.“ Das Element, das den Jazz zum Jazz macht, ist für Beirach dann die Improvisation. „Das bedeutet natürlich auf der anderen Seite, dass man nicht zu viele Akkorde vorschreiben darf, denn das stört beim Improvisieren. Man muss die richtige Mischung finden, sonst wird es schnell langweilig.“ Wie sich das anhört, kann man auf Beirachs jüngsten Aufnahmen hören, die sich jeweils auf klassische Komponisten beziehen: „Round about Monteverdi“ nimmt Komponisten des Barock zum Ausgangspunkt für ungewöhnliche Improvisationen. Eine eigenwillige und schöne Musik, die Brücken schlägt durch Zeit und Raum. Das erste Projekt der inzwischen dreiteiligen „Round about“-Serie, die bei ACT erscheint, war Béla Bartók gewidmet. Kein Zufall, denn Bártok ist auch für Ludmila Ulehla ein zentraler Komponist, und Beirach bezeichnet die 80-Jährige als seine wichtigste Lehrerin. 1947, im Geburtsjahr Beirachs, hat sie ihren Abschluss an der Manhattan School of Musik gemacht und bald darauf am selben Institut ihre Lehrtätigkeit aufgenommen. Von 1968 bis 1972 war Beirach dort ihr Schüler. Aus dieser Zeit resultiert der gegenseitige Respekt. „Gerade von der Musik von Bartók oder Strawinsky können auch Jazzmusiker viel lernen“, sagt die Komponistin, „und Richie ist einer, der sehr viel daraus gemacht hat. Auf der anderen Seite kann auch die Musik, die wir als klassisch oder zeitgenössisch bezeichnen, ungeheuer vom Jazz profitieren. Man muss das mischen, damit die Musik interessant und lebendig bleibt.“ Die Studenten nehmen die Anregungen der beiden dankbar auf. Peter Reckenfelderbäumer, Saxophonist im vierten Semester, ist begeistert: „Es ist toll, was die beiden für einen Überblick haben. Sie decken sofort die Schwäche eines Stückes auf und beseitigen sie auf verblüffend einfache Weise. Manchmal nur durch Straffung oder durch kleinere rhythmische und harmonische Varianten. Unsere Stücke sind danach viel besser.“ Stefan Arndt |
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