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Der Jazz-Höhepunkt der diesjährigen Sommerkonzerte zwischen Donau und Altmühl hieß Wayne Shorter. Der stilbildende Tenor- und Sopransaxophonist zog sieben Wochen vor seinem 70. Geburtstag eine ebenso lebendige wie weise Zwischenbilanz seines Schaffens. Es war einer jener Abende, die oft mit dem großen „Aber“ assoziiert werden: „Eigentlich höre ich Jazz ja ganz gern, aber…“. Zu frei darf’s dann nicht sein, zu hoch der Anspruch nicht formuliert werden, zu viel Hirn den Fuß nicht beim Wippen stören. Aber: Obwohl Shorter ein herausragender Protagonist der Moderne ist, obwohl sein Auftritt mehr dem Nimbus Neuer Musik entsprach als dem swingenden Lebenselixier des traditionellen Jazzfans, obwohl sich sein Wille zur Distanz auch in Ingolstadt durchsetzte, waren die über 700 Zuhörer/-innen hellauf begeistert von seinem Spiel, lohnten damit auch den Mut des Veranstalters, namentlich des Bayerischen Rundfunks und der Audi AG, sich dem modernen Jazz zu öffnen. Shorter hält sich zu Beginn weitgehend zurück, spielt nicht allzu viele Töne, deutet an, gibt Impulse, Ideen, Räume vor. Seine ersten Soli wirken fast beiläufig, entstehen wie von selbst aus der Mitte des musikalischen Geschehens. Sein Ton ist von makelloser Schönheit, von sonorer Fülle wie von ätherischer Transparenz, von bezwingendem Biss wie von lyrischer Sammlung. Seine Kompositionen entwickeln ihre Ideen langsam, stellen den Suchprozess improvisierter Musik dar, entwerfen lange Melodiebögen von betörender poetischer Kraft und magischem emotionalem Sog. Dabei wirkt Shorter, der im Laufe des Konzerts musikalisch mehr und mehr in den Vordergrund tritt, wie wenn er im Glashaus stünde, tief in sich selbst versunken, in Kommunikation nur mit der Band, distanziert vom Publikum, das solche Distanz jedoch akzeptiert als Teil seiner großen Kunst. Erfahrung und Neugier, musikalische Weisheit und kreative Energie verbinden sich zu einem manchmal fast hermetisch wirkenden, immer jedoch ungeheuer spannenden Ideenfluss von bezwingender Konsistenz. Daran nicht geringen Anteil hat die Band, die mit Danilo Perez (p), John Patitucci (b), und Brian Blade (dr), Musiker der jüngeren Generation um den Altmeister versammelt, der sich von der Spielfreude der Youngster inspirieren lässt zu einem stets packenden Konzert. 14 Tage zuvor bereits hatte Manfred Krug, der s(w)ingende Charakterkopf
auf deutschen Bühnen und Fernsehbildschirmen, seine Visitenkarte
bei den Sommerkonzerten abgegeben. Zur Lesung mit Konzert gehörten
auch seine „dünne Tochter“ Fanny, im Duett mit dem Vater
allerdings wesentlich überzeugender als bei ihren Solopartien, und
das Quartett „Jazz’In the Blues“ - „für ‘ne
Ostzonenband gar nicht mal so schlecht, die Truppe“. Die beiden
Haudegen Henning Protzmann (b), und Wolfgang „Zicke“ Schneider
(dr), spielten im Großen und Ganzen organisch zusammen mit den beiden
Jüngeren Andreas Bicking (ts), sowie Matthias Bätzel an Orgel
und Piano. Vor Allem Letzterem hätte man jedoch mehr Raum zur Entfaltung
gewünscht. Mit seiner Schriftstellerei reiht sich Krug selbstironisch ein in eine große Tradition schreibender (Ex)Mimen: „Shakespeare, Molière, Nestroy — und jetzt ich!“ Die Autoren-Sympathie seiner Kurzgeschichten gehört dabei erkennbar den Kleinen und ihren unauffälligen Triumphen über die Unbilden des Lebens. Highlight des Abends waren schließlich die Postkarten, die Jurek Becker seinem Freund Manfred Krug über Jahre hinweg geschrieben hat. Der trägt sie nun vor mit sicherem Gespür für den trockenen Witz und die subtilen Pointen, die eine herzliche Freundschaft würzten. Im Kreise von 14 Talenten aus den Bereichen bildende Kunst, Musik und Tanz sowie darstellende Kunst überreichte Kunstminister Hans Zehetmair unter anderem der Jazzsängerin Stefanie Schlesinger einen der mit jeweils 6.000 Euro dotierten bayerischen Kunstförderpreise. Vor Allem auf Grund der Intonationssicherheit ihrer bemerkenswert klaren Stimme gilt die Augsburgerin als eine der Hoffnungen des Jazzgesangs in Deutschland. Sie rechtfertigte die Ehrung im abendlichen Preisträgerkonzert an der Seite ihres Partners Wolfgang Lackerschmid mit einer ebenso eleganten wie sensibel ausbalancierten Darbietung. Tobias Böcker |
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