Anzeige |
|
|
Anzeige |
|
Peggy Lees allerletzte Single erschien wenige Tage vor ihrem Tod am 21. Januar 2002: „Senza Fine“. Der französische Meisterregisseur Jacques Rivette hatte ihre Aufnahme des Gino-Paoli-Klassikers von 1964 als „End Title“-Musik ausgewählt für seine Pirandello-Hommage „Va savoir“ – und die verrückten Japaner hatten diesen Song tatsächlich als CD-Single veröffentlicht. Und so klingt nun diese „Singles Collection“ mit einem ihrer schönsten Songs aus ihrer Pop-Phase aus. Noch zu Peggy Lees Lebzeiten war dieses 4-CD-Box-Set von der britischen EMI konzipiert worden. Es wurde zu ihrem Vermächtnis. Es ist dies der erste Versuch eines labelübergreifenden Porträts der populären Jazz- und Pop-Sängerin. Die Aufnahmen dokumentieren ihren Aufstieg von der Bandsängerin bei Benny Goodman zur Jukebox-Queen von „Capitol Records“ in den Vierzigern über die „Decca Years“ bis zu ihrer zweiten „Fever“-Phase bei „Capitol“. Über 100 Peggy-Lee-Singles haben die Produzenten für dieses Box-Set ausgewählt. Dabei hätte der Stoff für acht CDs gereicht, wie sie in den Liner-Notes erwähnen. Ihre Auswahl besticht: Ultrarare Singles wie das großartige „Through A Long And Sleepness Night“ finden wir hier neben ihren Gassenhauern wie „I’m A Woman“. Und selbst ihr allergrößter Hit „Fever“ erklingt hier in Mono – digitally remastered! – in neuem Glanze. Rund ein halbes Jahrhundert dauerte ihre Plattenkarriere, die 1941 begann bei Benny Goodman, dem „King of Swing“. Cole Porters „Let’s Do It“ und Li’l Greens „Why Don’t You Do Right“ brachte sie dort mit ihrer bluesigen Stimme zum Swingen. Um kurz danach Goodmans Gitarristen Dave Barbour zu heiraten. Als Peggy Lee 1944 zu Johnny Mercers „Capitol Records“ wechselte, wurde Barbour im Studio zu ihrem ständigen musikalischen Begleiter. Ähnlich wie Les Paul war Barbour der ideale Begleitgitarrist. Fast alle ihre „Capitol“-Hits der späten vierziger Jahre tragen seine Handschrift. Lee & Barbour, das war ein „perfect match“: Sie schrieb den Text, er die Musik – und fertig war ein Millionenseller wie „It’s A Good Day“. Anfang der Fifties zerbrach das Traumteam wegen Barbours Alkoholismus und Peggy Lee brach bei „Decca“ zu neuen Ufern auf. Schon ihre erste Single wurde zum Hit. Der geniale Arrangeur Gordon Jenkins hatte für Miss Peggy Lee das Richard-Rodgers-Walzerchen „Lover“ in eine polyrhythmische „Studie in Terror“ verwandelt. Innerhalb weniger Jahre entstanden bei „Decca“ im übrigen auch Peggy Lees beste Alben wie „Black Coffee“ oder „Songs in an Intimate Style“ – aber das ist eine andere Geschichte. 1957 jedenfalls kehrte sie wieder zu „Capitol“ zurück. Ein Jahr später nahm sie „Fever“ auf. Ein Lied von Otis Blackwell & Eddie Cooley, das sie durch eine kleine Ergänzung, „Captain Smith and Pocahontas“!, in „ihren“ Song verzauberte. In der Flower-Power-Ära in den späten Sixties entdeckte Peggy Lee, die mit den Tin-Pan-Alley-Prinzen musikalisch groß geworden ist, anfangs etwas widerwillig schließlich auch die Singer/Songwriter-Generation. Nummern von Tim Hardin & John B. Sebastian hauchte sie auf merkwürdig hippe Weise neues Leben ein. Höhepunkt dieser neuen Entwicklung war freilich ihre traumhafte Interpretation eines „Cabaret“-Songs von Leiber/Stoller: „Is That All There Is“. Randy Newman hatte diese Ballade 1969 für Peggy Lee maßgerecht arrangiert. Die Single wurde zum Hit – und zum Musterbeispiel für „Erwachsenen-Pop“. Fazit: Zusammen mit den vorzüglichen Liner-Notes des Sinatra-Experten Will Friedwald fügen sich diese über 100 Aufnahmen zum ersten Mal zu einem „kompletten“ Bild Miss Peggy Lees – und zu einem essentiellen Stück amerikanischer Popgeschichte zwischen Tin Pan Alley, Hollywood, Broadway & Brill Building Pop. Ihrem Markenzeichen blieb Peggy Lee während all der ganzen Jahre treu: ihrem Singen über, vor und hinter dem Beat. Viktor Rotthaler |
|