|
|
|
|
Jazzzeitung
2003/11 ::: seite 23
dossier - tonträger
|
|
|
|
|
|
|
|
Florian Trübsbach: Mason & Dixon
Jazz4Ever 4759
Den freistaatlichen Kunstförderpreis des Jahres 2000 nutzte der
1976 geborene Saxophoneleve Florian Trübsbach, as, ss, flugs für
die Aufnahme des nun vorliegenden CD-Erstlings unter eigenem Namen.
Gemeinsam mit Ralf Hesse, tp, Jan Eschke, p, Henning Sieverts, b, und
Falk Willis, dr, verwirklicht er seine Idee davon, wie die Tradition
zeitgemäß fortzuführen ist. Die Scheibe des ehemaligen
Solisten des Tölzer Knabenchores und Nesthäkchens der „Munich
Saxophone Family“ enthält neben nur einem Stück aus
fremder Feder, den „200 Horses“ des Gitarristen Gregor Muhr,
acht Eigenkompositionen in wechselnden Tempi von munter bis balladesk.
Trübsbachs Themen sind markant und differenziert, verknüpfen
Anregungen aus den 20er- und 30er-Jahren mit modernen Impulsen zu collagenartigen
Bildern, lassen bei aller kompakten Substanz Raum für Offenheit,
Phantasie und Kreativität, welcher weidlich genutzt wird von einer
ausgezeichneten Band.
Tobias Böcker
Elvis Costello: North
Deutsche Grammophon
„My aim is true“ (1977) nannte der Sänger/Songwriter
Elvis Costello sein programmatisches Rockdebüt. Costellos aktuelles
Album „North“ mit Schlagzeuger Peter Erskine und Bassist
Michael Formanek samt Streicher-Klängen vom Brodsky Quartett ist
ein Vierteljahrhundert später eine ebenso glaubwürdige Reise
in Richtung „In A Sentimental Mood“ – und weit darüber
hinaus. Das Album enthält gleich mehrere Jazz-Standards von morgen:
Mit „Someone took the words away“ (mit einem unwiderstehlichen
Saxophon-Solo von Lee Konitz) und „Let me tell me about her“
(Chet Baker-Trompete: Lew Soloff) öffnet Costello zwei Fenster
in die Vergangenheit und eines in die Zukunft: Er knüpft thematisch
und formal an das Balladen-Konzepts seiner Mini-CD „Deep Dead
Blue“ (1995) an, verbeugt sich vor seiner Ex-Ehefrau, der ehemaligen
Pogues-Musikerin Cait O’Riordan („When did I stop dreaming?“),
und dichtet schließlich bewegende love songs für seine neue
Lebens- und Kreativ-Flamme Diana Krall.
Reinhold Horn
Dahl/Andersen/Heral: The Sign
Stunt/sunny moon
Ein klassisches Pianotrio. Vom Schlagzeug her teilweise elektronisch
erweitert, Mastermind und Pianist Carsten Dahl spielt noch Marimba und
Vibraphon. Prominentester Spieler in der ausgewogen agierenden Besetzung
ist der norwegische Bassist Arild Andersen. Als alter ECM-Kämpe
steht er einer Ästhetik nahe, die sich durch Ruhe, große
Spannungsbögen, meditative Stimmungen, Innerlichkeit und poetische
Klanglandschaften auszeichnet. Zuschreibungen, die nahezu unbesehen
auf das geheimnisvoll klingende „the sign“ angewendet werden
können, obwohl nur ein schwebendes Stück aus Andersens Feder
stammt. Die anderen Kompositionen kommen, bis auf drei kollektive Titel,
aus Dahls Kreativwerkstatt. Eine Art Schwebezustand stellt sich immer
wieder ein, oft schon am Anfang eines Stücks, während man
noch rätselt wann es denn anfängt oder ob es bereits begonnen
hat. Manchmal verläuft sich diese lyrische Spannung in einem trivialen
Blues wie eine nichtssagende Spur im Sand.
Michael Scheiner
Vienna Art Orchestra, Duke Ellington’s Sound of Love Vol. 2
Emarcy 986541 (Universal)
Vier Jahre nach der beindruckenden Hommage an Altmeister Duke Ellington
legt das Vienna Art Orchestra jetzt nach. Was im Studio schon deutlich
wurde, unterstreicht der Live-Mitschnitt: in frischen wie überzeugenden
Arrangements findet der Geist des Duke Respekt und Anerkennung. Arrangeur
Mathias Rüegg geht es dabei nicht um bloße Bewahrung des
Repertoires, sondern dessen Inspiration ist ihm wichtiger. So wird Ellington
zum Ausgangspunkt packender Orchesterparts und waghalsiger Soli. Dabei
freilich schimmert der originale Sound des Duke immer wieder durch,
um in ungewöhnlicher Instrumentierung verfremdet zu werden. Beim
Vienna Art Orchestra stehen Soundcharaktere im Mittelpunkt, was diese
Band so einzigartig macht – und der Ellingtons ähnlich. Hier
ist eine subjektive Auswahl meist wenig bekannter Titel (außer
„Diminuendo and Crescendo in Blue“ sowie „In a sentimental
mood“), ein Ausschnitt aus der farbenfrohen Welt einer der bedeutendsten
Bigbands.
Reiner Kobe
Rebekka Bakken: The art of how to fall
Emarcy/Universal
Nicht mehr als Dichter-Interpretin, sondern als Singer/Songwriterin
in ganz eigener Sache stellt sich Rebekka Bakken auf ihrem neuen Album
vor. Bakken hat selbst produziert, großartige Musiker wie Dieter
Ilg (Bass) oder den Nils Petter Molvaer-Gitarristen Eivind Aarset an
Bord, und 10 (davon fünf Ohrwürmer) von 11 Songs selbst geschrieben.
Jazzinspirierte Pop-Diven der 70er wie Joan Armatrading, Maria Muldauer
oder Carole King dürfen als Referenz-Größen für
diese enorme Platte gelten. „Die Songs sind nicht schwierig, wir
haben die meist first take aufgenommen“, stapelt die 33-jährige
Norwegerin tief, die diese Songs als ein „labour of love and hard
work“ gleichermaßen sieht. Tatsächlich ist dieses Album,
für Bakken „ein Wagnis, und eine riesige Herausforderung“,
wie aus einem Guss produziert und ob seiner scheinenden Pop-Glamour-Oberfläche
mit den besten Platten von Annie Lennox und ihren Eurythmics vergleichbar.
Nur ist Rebekka Bakken freilich eine viel komplettere Sängerin,
mit „fetten“ Jazz-, Soul- und Folkskills gleichermaßen.
„Mir ist so, als sei ich in den letzten Jahren als Frau erst zu
mir selbst gekommen“, sagt die 33-jährige gebürtige
Norwegerin und heute in Wien lebende Sängerin über diese intimste
Platte ihrer Karriere. Auch wer ihr Breakthrough-Werk „Scattered
Poems“ (Act), die gemeinsame Platte mit Julia Hülsmann, oder
„Beloved“ (2002) kennt, wird von dieser erneuten Steigerung
überrascht sein. Das ist im Grunde eine Soul-Platte, wie man sie
seit Anita Bakers „Rapture“ (1986) nicht mehr gehört
hat.
Reinhold Horn
|