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Jazzzeitung
2003/11 ::: seite 23
dossier - tonträger
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Palo Alto: Crash Test
Jazz‘n’Arts 1803
Beim „Crash Test“ der italienischen Gruppe Palo Alto wird
nichts zerquetscht. Nur in den beiden Versionen des Titelstücks
schweifen Nicola Fazzini (as & ss), Dario Volpi (g), Danilo Gallo
(b) und Zeno De Rossi (dr) mit mäßigem Vergnügen zum
(soft & hardcore) Free Jazz ab. Sonst bleiben sie bei einer weniger
Risiko belasteten Stilistik, die aus dem Cool Jazz gewachsen ist. Im
Rockbeat versucht das Quartett „Enigma“ zu lösen, wobei
die agilen Drums von der E-Gitarre unter Dissonanzenstrom gesetzt wird.
Stark fühlt es sich bei ironischen Balladen, etwa „Lemon’s
Tree“, chromatisch und gut. Dichtes Interplay entwickelt sich
„In The Cave of Pan“, eine Art Samba mit zwinkerndem Bass-Intro
und lässigem Sax-Solo. Vielleicht nicht die Riffs und Themen, aber
die soliden Improvisationen von Palo Alto überstehen jeden „Crash
Test“.
Hans-Dieter Grünefeld
Peter Brötzmann & Walter Perkins: The Ink Is Gone
brö 3/Vertrieb: Open Door
Nach mehr als dreißig Jahren Pause hat Peter Brötzmann
sein Brö-Label wieder belebt. Bisher liegen vor: Brö 1 „For
Adolphe Sax“ (1967), Brö 2 „Machine Gun“ (1986)
und – als dritte Wiederveröffentlichung – Brö
3 „The Ink Is Gone“. Das Besondere an Brö 3: Es ist
eine LP aus 180g Vinyl, verpackt in einer Hülle, die ein Originaldruck
ziert und produziert in einer limitierten Auflage von 999 Stück.
In der gleichen Aufmachung sollen weitere Brö-LPs folgen. „The
Ink Is Gone“ ist ein Duo-Album Brötzmanns mit dem legendären
Drummer Walter Perkins. Zwei Stücke – je eines auf der A-
und der B-Seite – lassen einen den Machine Gun-Brötzmann
vergessen. Es sind klangfarbenreiche, beinahe lyrische Piecen. Perkins
Klanglichkeit nimmt Brötzmann zwar das Aggressive, aber nicht seine
einzigartige Expressivität.
Andreas Kolb
Reel People: Second Guess
Papa Records CD 001/LP001
Die Reel People sind keine Band oder Formation im traditionellen Sinne,
sie können vielmehr als ein typisches „Projekt“ definiert
werden. Wie bei vielen anderen Künstlern aus dem Grenzbereich zwischen
Jazz und Clubkultur richtet sich ihr Augenmerk nicht so sehr auf die
Live-Performance, sondern vielmehr auf die Produktion im Studio. Das
beweist ihr auf dem kleinen britischen Label Papa Records erschienenes
Debut-Album „Second Guess“, das Einflüsse aus dem HipHop,
R’n’B und Dub mit Soul, House und Jazz verbindet. Für
die einzelnen Stücke haben Mike Patto, Oli Lazarus und Tom Davidson
eine ansehnliche Liste von hochrangigen Musikern versammelt. Das Ergebnis
ist eine spannende Mischung von musikalisch sehr unterschiedlichen Tracks,
die in ihrer Gesamtlinie trotzdem stilistisch kohärent erscheinen.
Michael Staiger
Geoff Goodman Quintet: naked eye
Tutu CD 888214
Mit Henning Sieverts, b, und Peter Perfido, dr, spielte der unterschätzte
Goodman über Jahre hinweg bereits etwa im Hirson-Goodman Quartet
zusammen. Für sein neues Abenteuer suchte der Gitarrist sich die
beiden wiederum als bewährten Rückhalt, vor dem er mit den
Bläserkumpanen Felix Wahnschaffe, as, und Rudi Mahall, bcl, auf
Expeditionen ausziehen kann, die den Klangraum zwischen Berlin, New
York und München gründlich explorieren. Goodmans Kompositionen
erschließen sich mit verhaltenem Charme, lüften ihre vielschichtigen
Geheimnisse in eher sanfter Überzeugungskraft und zuweilen überraschend
reziproker Logik. Neben allerlei unerhörten Details zieht sich
dabei die unverkennbare Stimme von Goodmans eigenwilliger Gitarre vom
Monk-Touch in „Strip Poker“ bis zur melancholischen Erinnerung
an „John Lennons Assassination“.
Tobias Böcker
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