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John Chilton: Roy Eldridge – little jazz giant
Welch ein Gegensatz zu Chet Baker! Roy Eldridge verkörperte mit seiner Spielleidenschaft (natürlich musikalisch gemeint), seiner Fröhlichkeit und seiner Virtuosität die bei vielen Musikern vor allem der älteren Jazzstile so auffällige lebensbejahende Kraft, die mit oft sarkastischem Witz aus jeder Situation das Beste macht. Er war wirklich versessen aufs Spielen; er war ein Fighter und ging keinem „battle“ mit anderen Musikern aus dem Weg. Schon mit 14 Jahren bestimmte die Trompete sein Leben. Daneben spielte er auch Schlagzeug und trat mit diesem Instrument auch später immer wieder auf; so vertrat er sogar gelegentlich als Mitglied des Gene Krupa Orchesters (1941 bis 1943) seinen Bandleader. Auf der Trompete liebte er ein sehr flüssiges Spiel (die Saxophonisten Coleman Hawkins und Benny Carter gehörten zu seinen Vorbildern) und hohe Töne. In deren Beherrschung übertraf er selbst einen Louis Armstrong. Er war ohne Frage einer der größten Musiker seines Instruments und weit mehr als nur ein „Bindeglied zwischen Louis Armstrong und Dizzy Gillespie“ (wie man früher des öfteren lesen konnte). Sein hitziges Temperament, seine Empfindlichkeit gegenüber Ungerechtigkeiten und eine spürbare Unruhe machten ihm immer wieder zu schaffen. Scott Hamilton sagte dazu: „With Roy it was drama all the time, and he’d get disturbed by silly little things, but he didn’t let the audience know.“ (S. 281) John Chilton, selbst Trompeter und Autor einer ganzen Reihe ausgezeichneter Jazzbücher, kannte ihn gut. Er versteht es , uns den kleinen Mann (daher sein Spitzname „little jazz“) mit dem großen Herzen nahezubringen, von dessen mitreißendem Spiel heute viele junge Musiker lernen könnten, für die Impulsivität und Standfestigkeit Fremdworte zu sein scheinen. Bemerkenswert ein 100(!)-seitiges Zusatzkapitel am Ende des Buches mit Kurzbesprechungen der meisten Aufnahmen.
James Garvin: Deep in a dream – the long night of Chet Baker
Wahrlich ein passender Buchtitel. 58 Jahre wurde Chesney (Chet) Baker alt, und insgesamt überwogen wohl die dunklen Tage voller Wunschträume. Sie begannen mit einer harten Kindheit: Sein Vater (mit einem Alkoholproblem) spielte vor der Weltwirtschaftskrise Banjo und Gitarre in Countrybands und schlug sich dann mit Gelegenheitsjobs durch. Chet begann mit 14 Jahren, autodidaktisch Trompete zu spielen. Er brachte es nur zu bescheidenen Noten- und Harmoniekenntnissen, aber sein exzellentes Gehör und ein feines Gespür für Melodien und Ausdruck machten ihn schließlich zu einem großen Musiker mit einem beseelten Ton, den man nie mehr vergisst. Schon 1952, knapp 23-jährig, wurde er als Mitglied des Gerry Mulligan Quartetts mit seinem Solo über „My funny Valentine“ mit einem Schlag berühmt. Doch sein ausdrucksstarkes Gesicht zeigte schon damals etwas Doppeldeutiges: Er konnte überaus freundlich sein (wie ich es selbst bei mehreren Begegnungen erlebt habe), aber auch unbeherrscht bis zur Brutalität, vor allem gegenüber den Frauen, die in seinem Leben eine Rolle spielten. Er wurde schwer drogensüchtig, und man weiß nicht recht, ob dies Ursache oder Wirkung seiner negativen Seite war. Aber was für ein begnadeter Musiker und was für ein erstaunlicher Sänger! Man höre sich nur etwa „The touch of your lips“ (Steeple Chase) an mit Doug Raney und Nils H.O. Pedersen. Da steht er zwischen der Verlorenheit von Miles und der Geschmeidigkeit von Clark Terry und fällt kein bisschen neben ihnen ab. In seiner Musik war er stark wie wohl nur selten sonst in seinem Leben. Was, wenn es keinen Jazz gegeben hätte? James Garvon zeichnet in seinem Buch ein sehr genaues Portrait und lässt
dabei nichts aus. Chets schrecklicher Tod, er ist nachts aus einem Hotelfenster
in Amsterdam gestürzt, wurde nie ganz geklärt.
Ekkehard Jost, Free Jazz. Stilkritische Untersuchungen zum Jazz der 1960er Jahre
Nach fast drei Jahrzehnten ist Ekkehard Josts „Free Jazz“
wieder erschienen. Seine Habilitationsschrift, die erste jazzwissenschaftliche
überhaupt, wurde zum Standardwerk. Es blieb die einzige musikalisch-analytische
Arbeit über die revolutionären Strömungen im Jazz der 60er-Jahre.
Dass das Werk in einer unveränderten Wiederauflage erscheint (lediglich
Fotos wurden hinzugefügt), hat mit seinem einmaligen Charakter zu
tun. Es ist, wie Jost betont, ein „Dokument seiner Zeit“,
das für sich steht, „ohne zurückliegende Einsichten korrigieren
zu wollen“.
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