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Johannes Enders ist ein Hüne und das nicht allein deshalb, weil ein Tenorsaxophon in seinen Händen so klein und verloren wie ein Altsax wirkt. Überall wo der Zwei-Meter-Mann aus dem oberbayerischen „Notwist“-Städtchen Weilheim auftritt, überragt er das Jazz-Geschehen auch als „Saxophone Colossus“. Und überall tritt er als Hüne an freundlicher, beinahe schüchtern wirkender Bescheidenheit auf. Enders‘ Bescheidenheit korrespondiert mit seinem musikalischen Können. Denn Bescheidenheit ist es, was Enders immer wieder dazu zwingt, die eigene Musik zu hinterfragen. Die Bescheidenheit ist es auch, die bei Johannes Enders – im Jazz so zu Hause wie im heimischen Pfaffenwinkel – zu einer offenen Haltung für andere Musikformen führt. Wenn Enders von elektronischer Musik, Trip Hop, Rock und Pop oder seinen Erfahrungen mit Indietronics-Bands wie den befreundeten „Notwist“ und dem „Tied and Tickled Trio“ spricht, dann voller Neugier und ohne jene Arroganz, die manch abgebrühter, Purismus-fixierter Jazzvirtuose an den Tag legt. Am Pop- und Rock-Geschehen fasziniert Enders das Band-Konzept. Die Band als kleinste stilistische Einheit, die aus sich heraus ästhetische Maßstäbe entwickelt. Und bei der nicht einzelne Musiker und ihr Können zählen, sondern allein die Musik, in deren Summe sich das Können, aber – im Vergleich zum Jazz – auch das „Unvermögen“ der Band-Musiker aufhebt: „Ringo Starr zum Beispiel – er war alles andere als ein virtuoser Schlagzeuger, aber mit den ‚Beatles‘ war er einzigartig.“ Spieltechnischen Beschränkungen – im Jazz so etwas wie die Todsünde schlechthin – kann Enders sogar eine positive Seite angewinnen: „Es gibt etwas, was man überspitzt ‚Inspiration durch Unfähigkeit‘ nennen könnte und was viele Rock- oder Pop-Musiker auszeichnet. Etwas, was sich im Zen-Buddhismus ‚Beginner’s Mind‘ nennt. Eine Kreativität des naiven Anfängers, der im besten Fall wie ein Kind denkt und für den der Raum, den er zum ersten Mal betritt, tatsächlich noch ein neuer, spannender, anregender Raum ist – und keiner, den er schon zu kennen glaubt.“ Das Gegenteil davon wäre im Umkehrschluss der perfekte Virtuose, der seine Kreativität im spieltechnischen Alles-Könnertum ersäuft – eine im Jazz nicht ganz unbekannte Erscheinung. Neues Terrain, auf dem er anfänglich ebenfalls ein naiver, aber inspirierter Anfänger mit einem „Beginner’s Mind“ war, sondiert Johannes Enders auch bei seinem neuesten Projekt. „Enders Room“/Monolith, das ist die Band, die Johannes Enders in verschiedenen Rollen mit sich selbst und diversen Gastmusikern gegründet hat. Neben den „Notwist“-Brüdern Micha (Flügelhorn) und Markus Acher (Schlagzeug), die den Saxophonisten ebenso in die Geheimnisse digitaler Klänge und Beats initiiert haben wie sein langjähriger „Marsmobil“- und „Zappelbuden“-Freund Roberto Di Gioia (Piano), musizieren auf den elf Takes von „Monolith“ zahlreiche Gastmusiker: Die Bassisten Ed Howard, Thomas Stabenow und Patrick Scales, der Gitarrist Wolfgang Muthspiel und dessen singende Duopartnerin Rebekka Bakken, der Schlagzeuger Christian Salfellner und der Vibraphonist Joe Locke. So zahllos wie die Gastmusiker, die nie zusammen, sondern immer nur vereinzelt oder bestenfalls im Trio, zu hören sind, sind auch die Rollen des Johannes Enders. Da ist der Bläser, der seine Saxophon-Linien mit Flöten- und Klarinetten-Klängen paart. Der Beat- und Sound-Designer, der eineinhalb Jahre lang in seinem kleinen Studio, dem „Enders Room“, digital geprobt und an seinen Electro-Dub-Sounds herumgefeilt und -poliert hat. Der Saxophonist, der sparsame, aber dafür umso intensivere Solo-Akzente setzt, wenn er diese nicht ohnehin seinen Studio-Gästen überlässt. Der Jazzer, der bei dem Bobby Hutcherson und Harold Land gewidmeten „Bobby Land“ einen Melodie-Schnipsel von Horace Silvers „Song For My Father“ einschleust. Und der Keyboard-Amateur, der dem Fender Rhodes dunkel schillernde Akkord-Pfützen entlockt. Vor allem aber ist auf „Monolith“ der Musiker Johannes Enders zu hören, der eine Art „Filmmusik für imaginäre Filme“ einspielen wollte. Musik, die mit zeitgenössischen Mitteln ein wenig nach Lalo Schifrin oder Nina Rota klingt. Musik, die nicht den üblichen Ablauf-Schemata von Thema-Solo-Thema folgt, sondern in erster Linie konsistente Stimmungen erzeugt, die in ihrer melancholischen Schönheit da und dort auch an „Notwist“ erinnern. Johannes Enders hat sich mit „Enders Room“/Monolith auf elektronische Musik eingelassen, aber dies mit der interessierten Skepsis des akustisch spielenden Jazzers, den die Wechselwirkung zwischen elektronisch programmierten und akustischen Sounds reizt: „Ein reines Elektro-Album wäre mir zu kalt gewesen. Und zu berechenbar.“ Enders hat eine der wenigen CDs aufgenommen, auf die der Begriff des „Nu Jazz“ passen würde. Aber in eben diese Schublade möchte er nicht gesteckt werden. „Ich bin keinesfalls Purist und vieles, was unter ‚Nu Jazz‘ firmiert, finde ich gut. Aber mit Jazz und Improvisation hat der ‚Nu Jazz‘ in der Regel wenig zu tun. Sondern eher mit dem Versuch, das coole Image des Jazz zu vereinnahmen oder zu simulieren. Ähnlich wie bei den vielen Festivals, die sich aus Image-Gründen Jazz-Festivals nennen, obwohl dort kaum jemand improvisiert oder Jazz spielt.“ Nicht so bei „Enders Room“, der für den Saxophonisten auch ein Live-Projekt darstellt. Wo bei anderen „Nu’ Jazz“-Projekten ein Druck auf die Laptop-Taste genügen würde, setzt Enders auf Interaktion zwischen Elektronik und lmprovisation. „Enders Room“ wird jedes Mal von neuem zu improvisierter Musik, wenn der Saxophonist an der Seite von Musikern wie Michael Zenker (Bass), Oliver Kent (Piano/Keyboards) und Ulrich Wangenheim (Klarinette) die Bühne erklimmt (etwa in der Münchner „Unterfahrt“ am 7.12.), die Beats aus dem Laptop ansteuert und dazu auf dem Saxophon improvisiert. Einem Tenorsaxophon, das in Enders Hände wie ein Altsax aussieht. Claus Lochbihler Aktuelle CD
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