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Das Jazzfest der Jazzmusiker-Initiative München (JIM) ist gewissermaßen heimgekehrt. Fand es doch zum erstenmal im neuen Theaterzelt „Das Schloss“ an der Ackermannstraße statt, also am Südrand des ersten Zelt-Standortes Olympiapark. Nach einer jahrelangen Odyssee durch Kunstpark-Disko, Einkaufszentrum, Night Club, Nachtcafe, Schlachthof und Bierschwemme in verschiedenen Stadtvierteln rückte es mit seiner 13. Ausgabe räumlich und atmosphärisch wieder in die Nähe seiner Anfänge. Gleichzeitig wurde der Generationenwechsel bei den Organisatoren endgültig abgeschlossen. Das neue Domizil soll nun endlich wieder von Dauer sein, zumindest fürs nächste Mal, vielleicht auch für die kommenden zehn Jahre. Der Bezirksausschuss Neuhausen hätte das jedenfalls ebenfalls gerne, und das ist sicher keine schlechte Voraussetzung. Und das neue mollig warm beheizte Zelt konnte sich bei den ekelhaft nasskalten Außentemperaturen ebenso akustisch wie gastronomisch bewähren.
Das Festival draußen in Laim im schönen und intimen Arthur-Rubinstein-Saal des Steinway-Hauses zu beginnen, war trotzdem ein gelungener und sinnvoller Schachzug. Wurde damit doch der Blick auf eine andere verdienstvolle und interessante Veranstaltung von JIM gelenkt. Seit fast anderthalb Jahren findet ja dort nun schon die Solo-Piano-Reihe „Keys Unlimited“ statt. Zum Auftakt präsentierten sich zwei Österreicher als Solisten, die sich mit verschiedenen Bands längst auch in München einen Namen gemacht haben. Oliver Kent aus Wien, sonst häufig auch mit Münchener Musikern zu hören, betätigte sich als swingender, eigenständiger Interpret des Great American Songbook, während sich der Tiroler Christian Wegscheider danach phantasievoll, spannend und humorvoll an das von ihm selbst ersonnene „Tyrolean Songbook“ hielt, in dem er impressionistisch Jazz und alpine Folklore verarbeitete. Gleich der Auftakt auf der Zeltbühne brachte am nächsten der vier Festivaltage einen schwer zu übertreffenden Höhepunkt: Wolfgang Roths „Geheimrevue“ erwies sich als eine geniale Verbindung vielseitiger Bigbandmusik mit einer optisch zu einer Computer-Projektion umgesetzten Geschichte. So bebildert ließ sich das anderthalbstündige Konzert leichter verstehen, wenn man sich nicht allzu sehr von den simplen, gerade darin aber wirksamen, symbolistisch witzigen Illustrationen ablenken ließ. Langweilig wäre es auch sonst sicher nicht geworden. Denn die Konzeptmusik wurde mitreißend gespielt von einer Small Big Band mit Tobias Weber (b, v, g), Jens Fischer (dr, g), Wolfhard Metz (ts, fl, cl), H. H. Bettinger (tb), Gregor Bürger (Fagott, bs, cl, fl), Gil Kaupp (tp, flh), Thomas Bendzko (tp, flh), Gerd Baumann (g, flh) und dem Komponisten auf Altsaxophon und Klarinette. Überhaupt waren es gerade die weniger bekannten, oft noch jungen Musiker in häufig ungewöhnlichen Kombinationen, welche die Programmmacher herausstellten und die entsprechend überraschten. Und uneingeschränkt überzeugten wie auch Windstärke 7 um Komponist und Posaunist Mathias Götz (Daniel Glatzel, ts, bcl; Karl Lehermann, tp; Kai Fischer, ss; Ludwig Leininger, b; Marc Schmolling, p; Nick Pattusch, dr) und das Djaosch Macholi Orchester des Altsaxophonisten und Altklarinettisten Wanja Slavin mit Gerhard Gschlößl tb, Sousaphon, Mathias Götz tb, Kathrin Pechlof Harfe, Karsten Hochapfel g, ce, Nick McCarthy b und Sunk Pöschl dr. Mit ihrer Kreativität und Professionalität brachten sie auch den Beweis auf die Bühne, dass ein solides Musikstudium, etwa am Richard-Strauss-Konservatorium, nicht unbedingt dazu führen muss, dass immer nur einstudierte Licks und die gleichen Bebop-Riffs gespielt werden. Da sind viele Namen dabei, die man sich merken sollte, von denen man noch einiges hören wird. Mit Richie Beirach gab es auch diesmal einen auswärtigen Star beim Festival. Als Solist sorgte der Pianist, welcher derzeit an der Hochschule in Dresden unterrichtet, für einen weiteren Höhepunkt mit seinen atemberaubenden Klangreisen durch fremde und eigene Kompositionen. Vater und Sohn Helmut und Boris Ruge traten als Familienduo mit einem sehr privaten und eher verhaltenen Lyrik & Jazz-Programm auf. Das Dan Markx Orchestra war der einzige Missgriff in der Programmgestaltung. Es lieferte meist blut- und seelenlose Swingunterhaltung, gespielt von einer perfekten Big Band mit dem Sänger Markx im Vordergrund, der als bloße Kopie seiner Idole vom Schlage Frank Sinatra höchst selten zu eigenem Ausdruck fand. Auch eher jazzferne Klänge hatten Platz beim Jazzfest und fanden durchaus offene Ohren. Die brasilianischen Sängerinnen Rosanna Tavares und Zelia Fonseca aus Frankfurt, mit dem Münchener brasilianischen Saxophonisten und Perkussionisten Marcio Tubino, der auch die Schlagzeugerin ersetzen musste, sorgten mit ihrer frischen Mischung aus dem brasilianischen Musikkosmos für Begeisterung. Juanito Heldmann brachte mit seinen Kariba Allstars einen Hauch Afrokaribik ins Zelt. Das Trio Digilogue mit den beiden Schlagzeugern Walter Bittner und Kilian Bühler und E-Bassist Badan Giussani hatte zwar auch ein ungewöhnliches und nicht uninteressantes Projekt, bei dem analoge und digitale Klangerzeugung verschmolz. Doch konnten die drei mit Gesang und Sampling nicht mehr als ein dichtes Rhythmusgeflecht erzeugen. Der Dialog zwischen den Musikern kam deutlich zu kurz. Im neuem Projekt „Marsmobil“ von Roberto DiGoia, das es seit rund zwei Jahren gibt, geht es um einen trendigen Stilmix mit Nu-Jazz, starken Bassgrooves von Patrick Scales, dem Wortwitz des Poetry-Freestylers Tom Nicholas und Minimal-Electronic. Doch blieb diese wie das gesamte Keyboard-Spiel von DiGoia zu sehr im Hintergrund, während der Rapper dominierte, ohne dass man die Texte wirklich verstehen konnte. Hier stimmte zwar die Kommunikation auf der Bühne, aber ich hätte gerne mehr gehört als einen unverständlichen Sprachvirtuosen mit guten Begleitern. In den Umbaupausen bot das Café des Theaterzelts einen wegen der schlechten Akustik und Verstärkung und des lauten Publikums wenig geeigneten Rahmen für kammermusikalischen Jazz. Sängerin Ester Adams, anfangs sehr unsicher, scheiterte unter diesen Bedingungen ebenso wie ihr männlicher Kollege Tim Davies mit ihren Standards-Programmen. Überhaupt stellt sich die Frage, ob man wirklich ein Kneipenpublikum, das gar nicht zum Hören gekommen ist, mit Musik beglücken muss. Und die Festivalbesucher hätten sich nach und zwischen den Stunden intensiven Zuhörens auch einmal Momente der Stille verdient, in denen das eben Gehörte nachklingen könnte, statt ununterbrochen live oder sogar aus der Konserve beschallt zu werden. Nur Altsaxophonist Michael Hornstein, der so seinen 40. Geburtstag feierte, verschaffte sich die nötige Ruhe, die er für seine intensiven Improvisationen und die Dialoge mit Pianist Claus Raible brauchte. In sehr persönlicher Ausdrucksweise spielten sie Standards und Eigenkompositionen von Hornstein, der während seiner längeren Abwesenheit von der Szene nichts an Originalität und Ausdruckskraft verloren hat. Insgesamt brachte das Jazzfest frischen Wind und zeigte mehr als in den vergangenen Jahren die Vielseitigkeit und Fruchtbarkeit der Münchener Szene, gerade auch jenseits der sonst dominierenden sicheren (Bebop-) Pfade. Godehard Lutz |
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