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Jazzzeitung
2002/12-2003/01 ::: seite 27
dossier
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Dizzy Gillespie: Sall Pleyel Nov. 25th, 1960; Olympia Nov 24th , 1965;
Laserlight 36132
Dizzy Gillespie ist auch als Schrittmacher für die Verbindungen
von Jazz und lateinamerikanischer Musik eingetreten. Der später
als Filmkomponist bekannt gewordene Argentinier Lalo Schiffrin kam 1959
als Pianist in sein Quintett und machte dort durch ambitionierte Kompositionen
auf sich aufmerksam. Die erste davon, die 1960 eingespielte Suite „Gillespiana“
gilt als eines der wichtigsten großorchestralen Werke der 60-er
Jahre. Sie wird hier von Gillespie, Schifrin, dem Bassisten Art Davis,
dem Drummer Chuck Lampkin und dem auf Flöte und Altsaxophon glänzenden
Leo Wright erfrischend und inspiriert dargeboten. Fünf Jahre später
kam Dizzy mit einem neuen Quintett wieder nach Paris: der Pianist Kenny
Barron, noch am Anfang einer großen Karriere, bildete mit Christopher
White und Rudy Collins eine gute Rhythmusgruppe, der freilich der überschwängliche
Dizzy und der große Bop-Saxophonist James Moody die Show stehlen.
Für Sammler.
Marcus A. Woelfle
Eric St-Laurent, Thomy Jordi und Thomas Alkier feat. Helge Schneider:
Laut!
BIT-Musikverlag BIT 11212
„Rock, Jazz & Musik“ ist diese fulminante CD von und
mit Thomas Alkier am Schlagzeug, Eric St-Laurent an der Gitarre, Thomy
Jordi am Bass und last but not least Helge Schneider an Klavier, B3
Orgel und Melodica übertitelt, und das kann man nur unterstreichen.
Als „Helge und die Firefuckers“ waren sie als Rockband schon
gemeinsam in deutschen Landen unterwegs. Dabei entstand der Wunsch,
ein Album mit improvisierter Instrumentalmusik aufzunehmen. Im Frühjahr
2000 war es dann so weit, man traf sich in Berlin zur „lockersten,
ungezügeltsten und spontansten Aufnahmesession aller Zeiten“.
Das Ergebnis kann sich wirklich sehen lassen, die 20 Nummern grooven,
swingen, rocken und bluesen, was das Zeug hält, und dass die Musiker
dabei eine Menge Spaß hatten, merkt man jedem Ton an. Und dass
Helge nicht nur blödeln kann, sondern auch ein hervorragender Musiker
ist, wissen Fans ja schon lange. Tipp!
Ursula Gaisa
Agneta Baumann: Sentimental Lady
Touché/Zyx TMcCD 017
Unbestrittene Meisterin der „torch songs“, jener Balladen,
die von den eher traurigen, dunklen Aspekten der Liebe künden war
Billie Holiday. Die Messlatte ist seither hoch: Authentizität ist
gefragt; nichts peinlicher und langweiliger als ein künstliches
Gejammer oder ein pseudotiefsinniges Säuseln. Agneta Baumann, die
„Sentimental Lady“, ist nicht sentimental, sondern gefühlsecht
und in einer von synthetischen Gesangsstars dominierten Zeit eine Wohltat.
Man braucht nicht erst zu lesen, sie habe die Songs bewusst nach Texten
ausgesucht, die sie an Situationen aus ihrem Leben erinnern. Und diese
erfüllt sie mit Leben: mit ihrer leicht belegten, sanften Stimme
lässt sie nicht nur jedem Ton, sondern auch jedem Wort Gerechtigkeit
widerfahren. Der Pianist Gösta Rundqvist, der mit meist milesischer
Gedämpftheit musizierende Trompeter Bosse Broberg und der sensible
Tieftöner Palle Danielsson assistieren mit großem Einfühlungsvermögen.
Marcus A. Woelfle
Klaus König: Black Moments
Enja/Soul Food ENJ-9428 2
Zunächst einmal ein Sonderlob für die wunderschöne,
themenbezogen schwarz-weiße Gestaltung des Textbüchleins,
das man immer wieder gern zur Hand nimmt. Dann Anerkennung dafür,
dass nach dem Konzeptalbum-Klassiker „Tales Of Mystery & Imagination“
(The Alan Parsons Project, 1975) jemand den Versuch unternimmt, die
Dichtung Edgar Allan Poes auch zu verjazzen. Doch allzuweit entfernt
sich Klaus König nicht vom Art Rock der siebziger Jahre: Er greift
gleich auf die Dienste zweier E-Gitarristen zurück, die aber die
akustischen Instrumente nicht übertönen. In der Regel hat
König die Gedichtvertonungen einem der vielseitigsten Vokalisten
unserer Zeit anvertraut: dem Engländer Phil Minton. In Königs
vielseitiger Musik kommen neben den morbiden auch die lebensbejahenden
Aspekte der Vorlagen nicht zu kurz, denn über dem „gothic
horror“ seiner oft verfilmten Schauergeschichten vergisst man
gerne Poe, den romantischen Liebenden.
Mátyás Kiss
Rebekka Bakken, Wolfgang Muthspiel: beloved
material records MRE 004-2/Edel
Rebekka sei eine ungewöhnliche Künstlerin, schwärmte
Jazzgitarrist Wolfgang Muthspiel schon vor Jahren. Nach einer großen
Tournee durch sämtliche deutsche Clubs bis hin zum umjubelten Auftritt
bei den Leipziger Jazztagen schwärmen inzwischen auch zahlreiche
Fans von der neuen Stimme des Jazz. Bakkens Qualitäten liegen nicht
nur in ihrer flexib-
len Stimme, die zwischen rauchigem Rhythm’n’Blues, norwegischem
Folklore-Touch und klassischer Virtuosität alles bietet, sondern
auch in ihrem Singer/Songwriter-Talent. Ihre Lyrics treffen den Zeitgeist
und erweitern das Jazzrepertoire um einige beachtliche Songs zum Thema
„Liebe und Verlust“ oder – im heutigen Vokabular –
zum Thema „Sex in the City“. Muthspiel, der sich hier auch
als Songwriter präsentiert, ist nicht nur kongenialer Begleiter
dieser intimen Musik, sondern spricht mit seinen Gitarren das aus, was
Bakken zwischen den Zeilen geschrieben hat.
Andreas Kolb
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