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Um sich in das um 1960 durch Adderley & Co. angeführte Soul-Jazz-Umfeld einzufügen, musste Wild Bill Moore (1918–1983) kein Jota an seiner bewährten Musizierweise ändern, denn dieser Stil war nichts weiter als eine durch besonders betonte Gospel-Elemente tanzbare Variante des Hardbop, der seinerseits eine erdige, weniger zerebrale Wiederauflage des Bebop darstellte. Die beiden schwer aufzutreibenden Titel „Bottom Groove“ und „Wild Bill’s Beat“ kamen vor über vierzig Jahren bei der kleinen Marke Jazzland heraus. Es waren die ersten und wohl auch einzigen Jazz-LPs des Tenoristen, der sich durch das gelegentlich exaltierte hohe Register seines Instruments (wie am Ende von Track 1) schon früh den Beinamen „Wild“ verdiente. Erste Dokumente seines extrovertierten, männlich-kraftvollen Stils in der Hawkins- beziehungsweise Illinois-Jacquet-Nachfolge stammen aus den späten vierziger Jahren, als er nach Engagements bei Armstrong und Helen Humes mit dem hier wiederbelebten „Bubbles“ und „We’re Gonna Rock, We’re Gonna Roll“ (sic!) Hits in den Rhythm’n’Blues-Charts verbuchen konnte. Die beiden – bis auf das Tasteninstrument – personell identischen Quintette, die ihm bei den Aufnahmen sekundieren, schaffen den idealen Rahmen für seine auf Bauch und Beine abzielende Musik: Bassist Joe Benjamin, Schlagzeuger Ben Riley und Congaspieler Ray Barretto bilden den Kern einer agilen Rhythmusgruppe, an deren Spitze entweder der Pianist Junior Mance oder der Organist Johnny „Hammond“ Smith lustvoll in dieselbe Kerbe schlagen wie Wild Bill Moore, der später unter anderem als Sideman Joe Turners („Shake, Rattle and Roll“) wirkte. Die um dieselbe Zeit von Eddie „Lockjaw“ Davis’ erfolgreicher „Cookbook“-Serie etablierte Kopplung Tenorsaxophon-Orgel pflegte auch sein Labelkollegen Willis „Gator“ Jackson. Der Spitzname hing ihm an, seitdem er 1948 bei Cootie Williams mit dem R & B-Titel „Gator Tail“ einen Hit verbuchen konnte. Am 21. März 1964 trat Jacksons eigenes Quintett im vergessenen New Yorker Club „Allegro“ auf; das Engagement dokumentierte Prestige auf den Alben „Soul Night/Live!“ und „Tell It...“, die auf der CD zur Gänze enthalten sind. Als Abwechslung zur Flöten-Besetzung bei „Lockjaw“ beschäftigt „Gator“ einen (leider zweitklassigen) Trompeter namens Frank Robinson; er stört nicht weiter und lässt die machtvollen Soli des Leaders in umso glanzvollerem Licht erstrahlen. Auch sein Organist Carl Wilson zählt gewiss nicht zur ersten Kategorie der Tastendrücker, er bewältigt seine Aufgaben jedoch genauso effizient wie der Schlagzeuger Joe Hadrick. Wirklich hörenswert wird diese Scheibe nur durch die erstaunliche Frühreife des Gitarristen Pat Martino, der damals noch als Patrick Azzara geführt wurde. Doch zählt diese Aufnahme wie unzählige andere, die seit den späten fünfziger Jahren für Prestige oder Blue Note entstanden, nur dem Genrebegriff nach zum Jazz. Eher dient sie durch befeuernde „Grooves“ dem Tanzvergnügen oder allgemeiner, dem Erzeugen von Stimmungen, welche die Kommunikation anregen: Selten habe ich auf einer Live-Aufnahme die Clubbesucher so laut schwatzen hören. In der Tat greifen die kaum mehr als soliden Musiker nur auf die (schon damals) bekanntesten Themen und Licks zurück. Es war eher die Firma Atlantic, welche solcher „Gebrauchsmusik“ durch spannende Vokalisten zu Ewigkeitswert verhalf – so etwa Ruth Brown, die mit Jackson verheiratet war. Mit 16, 17 Jahren übt der angehende Musiker nicht selten noch Tonleitern; ein Tonstudio sieht er allenfalls dann von innen, wenn er zum nächsten Teenager-Idol aufgebaut werden soll. Bei Eric Kloss sah die Sache etwas anders aus: In eben jenem Alter nahm er seine ersten beiden LPs für Prestige auf – und das auch noch mit so inspirierenden Begleitern wie dem häufig mit Sonny Stitt arbeitenden Organisten Don Patterson (gastweise von Richard „Groove“ Holmes ersetzt) und wiederum Pat Martino, der nach seiner Anstellung bei Willis Jackson gerade in der Orgelcombo von „Brother“ Jack McDuff die Saiten schlug. Aber auch Pattersons Partner, der die rhythmische Hauptarbeit leistende Billy James, ist einem Donald Bailey, dem langjährigen Drummer von Jimmy Smith, ebenbürtig. Was bei einem so jungen Mann wie Kloss noch mehr überrascht als
seine erstaunliche Geläufigkeit in schnellen Tempi („‘S
‘Bout Time“), ist seine Gestaltungsfähigkeit in Balladen
wie „Old Folks“, wo er schon bei der Themenvorstellung mit
seinem schönen Ton gefangen nimmt. Auch die Melancholie scheint ihm,
nach „All Blues“ zu schließen, alles andere als fremd
zu sein. Vielleicht wärme ich ein Klischee auf, aber sein fehlendes
Augenlicht muss Kloss bereits als Kind dazu getrieben haben, sein musikalisches
Ohr stärker zu schulen als bei Normalsichtigen üblich. Bei Ammons, in seiner Frühzeit im Orchester Billy Eckstine einer der Bebop-Pioniere, ist keinerlei Anzeichen einer Ermattung zu spüren; sein riesiger, knorriger Ton ist noch vollständig intakt. Was gegenüber seinen frühen Singles für Savoy oder Prestige auffällt, ist allerdings eine weitere klangliche Verharschung, die vielleicht auf die psychischen Folgen zweier längerer Gefängnisstrafen zurück geht, aber auch eine Auswirkung der turbulenten sechziger Jahre sein könnte. Sonny Stitt hebt sich – in der weiteren Konsequenz seines frühen Umsattelns vom Alt- auf das Tenorinstrument, unter Aufweichung der ihm einst vorgehaltenen Parkerismen – sowohl von seinem Bandkollegen als auch von der zum Zeitpunkt der Aufnahme vorherrschenden Tenorsaxophon-Stilistik (Coltrane bzw. Shorter) angenehm ab, wirkt hier aber paradoxerweise weniger aufregend als auf seinen bekanntesten Bop-Einspielungen, die er um 1950 für dieselben Labels wie Ammons vornahm. Stitt war durch permanentes Touren ohne feste Begleitcombo mittlerweile zum Mainstream-Musiker gereift, während die auffallende Rhythm & Blues-Lastigkeit Ammons’ ohne Rest im beliebten Soul Jazz aufgegangen war. Sam Jones, der seinen Bass für Ammons bereits auf der letzten Aufnahme von Dodo Marmarosa (Prestige, 1962) zupfte, beeinträchtigt die Freude an der sonst ordentlich klingenden Aufnahme durch ein billiges Pick-Up; im übrigen könnte die Rhythmusgruppe mit Cedar Walton und Billy Higgins kaum prominenter besetzt sein. Auf zwei Stücken, darunter ihrem Erfolgstitel „Don’t Go To Strangers“, gastiert die wunderbare Etta Jones. Mátyás Kiss CD-Tipps
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