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Als zartes Pflänzchen und eher zufällig entstand vor zehn Jahren die Idee der Thüringer Jazzmeile. Der Jenaer und der Weimarer Jazzclub meinten, es wäre eine lustige Idee, die lokalen Festivals gemeinsam als „Jazzmeile Thüringen“ anzupreisen. Bald stellte sich heraus, dass dieser Gedanke enorm ausbaufähig war. Fast alle Jazzclubs in den Thüringer Städten von Saalfeld bis Nordhausen veranstalteten ihre jährlichen Feste traditionell im Herbst. Was lag da näher, als landesweit gemeinsam aufzutreten, um die vielfältigen und hundertprozentig ehrenamtlichen Aktivitäten der Jazzclubs jeden Herbst als „Thüringer Jazzmeile“ zu verkaufen. Alle Clubs behielten ihre volle Eigenständigkeit und entschieden absolut unabhängig über das lokale künstlerische Programm ihrer Festivals. Auch das permanent finanzklamme Kultusministerium des Freistaates witterte die Chance, die ständig kleineren Summen an Zuwendung an eine Adresse zu geben und sich somit aus dem Hauen und Stechen um die Verteilung herauszuwinden.
Dazu kam es dann aber gar nicht, ganz im Gegenteil rauften sich Musiker und Veranstalter unter dem Dach der inzwischen gegründeten Landesarbeitsgemeinschaft schnell zusammen und nutzen die Jazzmeile als Chance, durch gemeinsame Koordinierung und Bewerbung ihrer Konzerte Kosten zu sparen und Großsponsoren wie die Köstritzer Schwarzbierbrauerei und den Sparkassenverband Hessen-Thüringen von der „Thüringer Jazzmeile“ zu begeistern. Seit ihrer zweiten Auflage im Jahre 1995 verzeichnet die Meile immer noch Zuwachs und jährlich kommen neue Städte und Projekte hinzu. Die Verteilung der Mittel erleichtert das nicht gerade, doch die Führungsspitze der LAG hat im Laufe der Jahre eine professionelle Routine entwickelt, die das finanzielle und logistische Problem für alle Beteiligten zufriedenstellend löst. Die nunmehr neunte Auflage der „Thüringer Jazzmeile“ bot von Anfang Oktober bis Ende November im ganzen „Grünen Herzen Deutschlands“ weit über einhundert Konzerte mit tausend Musikern aus allen Kontinenten. Vierzehn Thüringer Städte beteiligten sich. Neben den Jazzclubs
treten die Kommunen teilweise schon mit als Veranstalter auf, weil die
Verantwortlichen in den meisten Kulturämtern begriffen haben, welches
gewaltige Potenzial da geweckt wird, das auch gut zur Eigenpräsentation
genutzt werden kann. Eröffnet wurde die 9. Thüringer Jazzmeile wieder standesgemäß
im Rahmen des Thüringentages, dieses Jahr am 4. Oktober in Sonneberg.
Der hier ansässige Jazzclub überzeugt seit Jahren mit einem
anspruchsvollen Programm in Richtung Bigbandsound und führt mit vielen
Jugendlichen Gospelworkshops durch. Hochburg des Thüringer Jazzes
bleiben allerdings Jena und Erfurt mit den umfangreichsten Programmen
und sehr interessanten und ausgefallenen Acts. Hier stehen die Stadtverwaltungen
mit Rat und Tat, vor allem aber auch mit Fördermitteln hinter den
engagierten Veranstaltern. Doch in den kleineren Städten wird inzwischen
kräftig nachgezogen. Guter Partner der Thüringer Jazzmeile ist über die Jahre auch das Büro für französische Angelegenheiten der Staatskanzlei Thüringen geworden. Eine ganze Reihe der herausragenden französischen Jazzmusiker konnten so schon für Auftritte gewonnen werden. Für das nächste Jahr ist Frankreich als thematischer Schwerpunkt der Jazzmeile vorgesehen, wenn im Rahmen der 40-Jahr-Feier der deutsch-französischen Freundschaftsverträge auch die guten partnerschaftlichen Beziehungen Thüringens und der Picardie gewürdigt werden sollen. Einen thematischen Schwerpunkt hat die Thüringer Jazzmeile seit den letzten drei Jahren – die Osttöne, die besonders interessante Prospekte von Balkan bis zum Ural vorstellen. Der amerikanische Saxophonist Ken Vandermark gastierte zur aktuellen Jazzmeile in mehreren „Meilenstädten“, das Composers Orchestra sieht einem Live-Mitschnitt des Deutschlandradios entgegen, der Erfurter Komponist und Musik Ralf Siedhoff präsentierte sein Worldbeat Projekt, eine Gruppe um den Komponisten Frieder W. Bergner und seinem Jazz Improvisations Orchester untermalte Wortläufe vom Autorensyndikat Leipzig sowie Videoprojektionen von Julia Peters unter dem Motto „Schön, dass wir drüber gesprochen haben“ (ein Ingeborg-Bachmann-Abend). Ein weiterer bedeutender Aspekt der Thüringer Jazzmeile ist es, lokalen und regionalen Musikern eine Chance zu geben und sie möglichst häufig auftreten zu lassen. Das steigende Publikumsinteresse ist in den letzten Jahren auf die qualitativ hochwertigen Konzerte ebenso zurückzuführen wie auf das breit gefächerte Angebot von folkigem Jazz bis hin zu den Altmeistern des Freejazz. Mit der Gründung der AG Jazzmeile im letzten Sommer sind die beteiligten Städte und Jazzclubs noch enger miteinander verbunden worden und die programmatische Ausrichtung wird noch intensiver. Das war in den letzten beiden Monaten schon zu spüren und wird bei der Jubiläumsmeile im nächsten Jahr sicherlich noch deutlicher zu Tage treten. Auf diese 10. Thüringer Jazzmeile im Herbst 2003 darf man jetzt schon gespannt sein. Olaf Schulze
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