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Überall auf der Welt kracht es. Erst New York, zuletzt Moskau. Immer wenn es kracht, wird einem Mann die Verantwortlichkeit zugewiesen. Niemand weiß, ob Bin Laden lebt, aber alle wissen, dass er die Bombenleger dirigiert. Über dieses simple Erklärungsmuster werden andere Zusammenhänge in den Hintergrund gerückt. Sandy Evans, die australische Jazzsaxophonistin, beteiligt sich an einem Projekt, dass von den Ereignissen rund um den 11. September eingeholt und in seiner Bedeutung aufgewertet wurde: „The Theft of Sita“. Die Geschichte handelt von zwei Balinesischen Dienern, die von den kulturellen und politischen Wirren ihrer Heimat in einen Abgrund der Brutalität gerissen werden. Kurz vor den verheerenden Anschlägen auf der indonesischen Insel machte die Aufführung Station in Berlin.
Sandy Evans ist keine Politikerin. Als weltkundige Bürgerin prangert sie die Verhaltensweise der australischen Gesellschaft an. „Es ist eine Schande, wie die australischen Urlauber mit Land, Leuten und Kultur Balis umgehen.“ Bali ist das Haupturlaubsland Australiens. Auch Sandy Evans ist nach Indonesien gereist. „Ich bin an asiatischer Musik sehr interessiert“. Sie erzählt von Nasenflöten, Spiritualität und den Besonderheiten unterschiedlich gestimmter Instrumente im Zusammenspiel. „The Theft of Sita ist ein politischer Kommentar zum Verhältnis Indonesien-Australien. Darüber hinaus ist es aber auch eine ungewöhnliche Begegnung asiatischer und westlicher Kultur.“ Das Interesse an dieser Mischung ist immens. Das Projekt spielt weltweit vor ausverkauften Häusern. New York hat im letzten Jahr nicht viel politische Reflexion auf die Bühne gestellt. Unmittelbar nach den Septemberereignissen ist Sandy Evans mit „The Theft of Sita“ dort gewesen. Gezeigt wurde ein großorchestriertes Musical Balinesischen Puppentheaters. Das Puppenspiel leitet I Mada Sidia, Regie führt Nigel Jamieson. Für den verrückten Soundtrack ist der außergewöhnliche, in Papua-Neuguinea geborene Komponist Paul Grabowsky verantwortlich. Grabowsky leitet das Australien Art Orchestra, in dem auch Sandy Evans einen Platz inne hat. Die australische Improvisationsszene ist überschaubar. Das Jazzfest Berlin 2002 präsentierte in einer australischen Nacht das Sandy Evans Trio und The World According to James. Auch hier finden sich Personalüberschneidungen und das Jazzverständnis ist von Anleihen aus asiatischer Musik durchzogen. „The Theft of Sita“ kommentiert im wesentlichen die Probleme, welche die Tourismusindustrie der Normalbevölkerung Indonesiens bereitet. Während die Puppenspieler auf riesigen Leinwänden zwei Diener des Gottes Rama auf der Suche nach ihrer entführten Herrin Sita aus den Bergen durch die Tourismusburgen bis in die Großstadt führen, reflektiert Grabowskys Theatermusik alle dargestellten Aspekte des traditionellen und des modernen Indonesiens. Die Aufführung gipfelt in einem mörderischen Polizeieinsatz, die Puppen stehen in den Kulissen eines Slums zwischen Videoprojektionen und Computergrafiken. Zum Zeitpunkt der Aufführung wusste keiner der Beteiligten etwas von den schrecklichen Ereignissen, die sich schon bald in Bali ereignen würden. Die Aufführung nimmt vorweg, wie zugespitzt sich die Lage in Teilen des verarmten Asiens darstellt. Albert Weckert |
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