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Schon beinahe imposant residiert der 70er-Jahre Bau der Anton Bruckner Privatuniversität, vormals Bruckner-Konservatorium, an der Wildbergstraße in Linz. Die Jazzabteilung sucht man hier jedoch vergeblich. Erst ein paar Straßen weiter über der Donau gelangt man schließlich in der Sandgasse über den Hinterhof eines Elektrogroßhandels zwischen Garagen und aufgestapelten Kartons in ein in die Jahre gekommenes Treppenhaus. In dem schmalen Aufgang hängen Konzertplakate und Stundenpläne und über mehrere Stockwerke verteilt erreicht man die einzelnen Unterrichtsräume. Wie ein Concierge hat sich im Erdgeschoss Christoph Cech, seit sechs Jahren Leiter des Instituts, sein Büro eingerichtet. Auch er bedauert die räumliche Situation, die jedoch bis spätestens 2009 mit dem versprochenen Beginn eines Neubaus für die gesamte Universität behoben sein dürfte: „Wir beklagen das auch, dass wir hier in der ,Enklave‘ immer die Donau überqueren müssen, um unsere Kontakte zu pflegen. Gerade Jazz ist eine kommunikative und integrative Musik, die die anderen anzieht und das Ganze fokussieren sollte.“
Diesen integrativen Gedanken spiegelt auch die Ausrichtung des Instituts
wider: größtmögliche stilistische Vielfalt, Öffnung
zu vielen andere Bereichen, unter anderem Weltmusik und ein starkes Standbein
hinüber zur Neuen Musik und zu neuen improvisatorischen Konzepten.
„Wir versuchen an der Entwicklung des Jazz und der Improvisation
aktiv teilzunehmen. Wir verstehen eine Universität auch als Forschungsstätte,
das heißt, wir wollen miterfinden, wo es lang geht in der Musik,
und nicht etwas museal verwalten.“ Überhaupt versucht er gegen die „Hermetik der Institute“ und die abstrakte „Verschulung“ des Jazz im Vergleich zur spielenden Szene anzukämpfen. So rekrutiert sich der Lehrkörper auch aus derzeit 19 aktiven Musikern, was zwar manchmal etwas Unordnung in den Lehrplan bringen kann, für die rund 100 Studenten aber einen höheren Output bietet. Letztere, die aus ganz Österreich, aus dem südbayerischen Raum, traditionell auch aus der Slowakei und Kroatien, zurzeit sogar aus Argentinien kommen, können nun seit der Umwandlung zur Universität in acht beziehungsweise zwölf Semestern entweder ein pädagogisches oder ein künstlerisches Studium mit international anerkanntem Bachelor- beziehungsweise Masterabschluss absolvieren. Den Unterricht versteht Cech als „Schule des Individuums“. Wichtig sei es, die Fertigkeiten des Einzelnen am Beginn des Studiums zu erkennen und ein guter Begleiter zu sein, um eine stilistische Ausprägung, die oft schon vorhanden ist, auszubilden. Dies durchaus auch aus ökonomischen Gründen, wie Cech einräumt: „Wir gehen davon aus, dass Leute mit einem starken Eigenprofil in der Szene besser Fuß fassen können als die so genannten ‚Universalisten‘. Ich glaube, dieses ‚Studiomusiker-Ideal‘, dass man alles können muss, ist ein überkommener Gedanke aus den 80er-Jahren. Je eigener ein Musikerprofil ist, desto lieber wird es dann in der Szene auch engagiert.“ Aber auch der Lehrplan selbst soll hierzu beitragen. So gibt es einen so genannten „Business-Block“, wo es um Öffentlichkeitsarbeit und Marketing geht, und innerhalb der Module kann der Schwerpunkt „Kulturmanagement“ belegt werden, wenngleich Cech bemerkt, dass es „generell schon eine ziemliche Überforderung ist, auf der einen Seite ein sensitiver, offener Künstler zu sein und auf der anderen Seite ein tougher Manager. Ich rege immer wieder an, dass da die vermittelnden Kräfte gefördert gehören, sprich innovative Agenturen, die sich um Künstler annehmen und mit ihnen aggressives Marketing betreiben sollten. Dort sollte der Staat eingreifen, denn meist hat es keine nachhaltige Wirkung, die Künstler direkt zu fördern“. Währenddessen versucht das Institut selbst, den Studenten in der regionalen Szene Auftrittsmöglichkeiten zu verschaffen. Mit dem Land Oberösterreich und der Stadt Linz herrscht eine rege Zusammenarbeit, wo die JIM-Ensembles zum Beispiel beim alljährlichen „Linz Fest“ im Frühjahr spielen und mit Stolz erwähnt Cech, dass jeder Student seiner Big Band, dem „Think Bigger Orchestra“, im letzten Sommersemester 600 Euro verdient hat. Des Weiteren versucht er derzeit hierfür einen „jour fixe“ zu etablieren, um regelmäßige Auftritte zu gewährleisten. Doch auch über die Landesgrenzen hinaus ist die noch junge Universität bemüht, Kontakte mit Partnerhochschulen zu knüpfen. Bereits nächstes Jahr beginnt eine Kooperation mit Den Haag, vor allem, weil sich hier auch der Sitz der „International Association for Schools of Jazz (IASJ)“ befindet, aber auch mit Kopenhagen, Triest und Hamburg steht man in Verhandlungen. Natürlich ist die konzeptionelle Ausrichtung des JIM auch eng mit dem Institutsleiter und Komponisten Christoph Cech verbunden. Er selbst bezeichnet sich als „bunter Hund“, der lange Zeit darunter gelitten hat, dass ihn die Jazz-Szene abfällig als den „E-Musiker“ bezeichnete und umgekehrt. „Man hat immer versucht, mich in eine Schachtel zu zwängen. Ich habe aber meinen Frieden damit gemacht, dass ich sozusagen ein Mittler zwischen diesen Lagern bin und eben versuche, eher diese Schachteln niederzureißen, um der Musik eine kommunikative Essenz zurückzugeben.“ Hierin sieht er auch seinen pädagogischen Auftrag. Zeugnis hierfür ist zum einen das „Brückenköpfe-Ensemble“, das von vornherein programmatisch mit Klassik- und Jazzstudenten besetzt ist, die so voneinander lernen sollen, zum anderen das erwähnte „Think Bigger Orchestra“, das immer wieder durch klassische Instrumente wie Klarinetten, Fagotte und Streicher ergänzt wird und auch Cechs Kompositionen aufführt. „Ich habe beispielsweise kein Problem über einen Drum’n’Bass-Groove eine serielle Fläche abzurufen, denn letztlich entscheidet das Endprodukt. Man muss die Freiheit annehmen, aus dem riesigen Material zu schöpfen, was uns zur Verfügung steht, einfach neugierig bleiben. Ich denke immer, das Dokumentationszeitalter ist jetzt schon 100 Jahre alt. Man muss nur den Gang auf eine Hauptstraße in einer Stadt wagen und kann sich mit der gesamten Musik des Erdballs eindecken: Man kann daheim im Wohnzimmer die Eskimos singen lassen, man kann John Coltrane hören und dann kann man Bartók mit Benny Goodman zusammen im Duo hören oder sich ein Lachenmann-Stück anhören. Wer da sich nicht das nimmt, was ihm gefällt… das ist irgendwie verdächtig, wenn die Leute so auf ihren stilistischen Biotopen verharren. Manchmal habe ich das Gefühl, dieses Verweigern der Veränderung der Musik hat etwas mit Angst zu tun.“ Jörg Lohner |
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