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Schicke Sonnenbrillen, coole Klamotten – gäbe es einen Preis für den am modischsten gekleideten Jazzer, dann käme Roberto Di Gioia bestimmt in den engeren Kandidatenkreis. Das mag an seiner Herkunft liegen, immerhin ist der Keyboarder und Pianist ja in Italien, obendrein in der Modehauptstadt Mailand geboren. Aufgewachsen ist Di Gioia allerdings im bayerischen Pfaffenhofen, wohin die Familie kurz nach seiner Geburt gezogen ist. Trotzdem, so geschmackssicher wie in Sachen Mode, ist Di Gioia auch in Sachen Musik.
Wohl nicht unwesentlich für einen, der nie einen Jazzlehrer gehabt hat. Abgesehen von der musikalischen Früherziehung und dem Besuch des Musischen Gymnasiums Eichstätt hat sich Di Gioia die entscheidenden Schneisen auf dem Weg zu einem der Top-Jazzer Deutschlands selbst geschlagen. Mit 14 heuerte der Autodidakt – der zu jener Zeit akribisch in ein Büchlein notierte, welche Skalen am besten über welche Harmonien passen – im Eichstätter Jazzclub „Peters-Keller“ an. Sechs Jahre lang spielte er dort einmal die Woche mit guten Musikern und vor Publikum – „die beste Schule, die sich denken lässt“, wie Di Gioia rückblickend meint. 1984, kurz nach dem Abitur, ging es dann nach München. Schnell wurde Di Gioia ein begehrter Sideman, etwa bei Roman Schwaller und Hermann Breuer. Eine Party von Al Porcino stellte dann die nächste Weiche. „Klaus Doldinger fragte mich da, ob ich auch Keyboard spiele. Ich habe natürlich ja gesagt – und mir am nächsten Tag so ein Instrument gekauft. Jedenfalls war ich plötzlich in der Band.“ Mit „Passport“ wurde Di Gioia, wenn nicht berühmt, so doch bekannt. Er kam in der Welt herum und konnte mit Jazz-Stars jeder Couleur arbeiten, von Joe Lovano bis Tom Harrell. Schon während dieser Zeit aber suchte Di Gioia nach einem eigenen Weg, einem jugendlicherem Betätigungsfeld als es ihm die traditionellen Spielarten des Jazz bieten konnten. „Ich höre schon seit Jahren keine Jazzplatten mehr. Für mich ist das ein wichtiger Schritt zur Selbstverwirklichung, dass ich nicht mehr irgendwen abkupfere“, erklärte er schon 1997 in einem Interview. So gesehen waren es eben mehr als Brotjobs, die Di Gioia auch zu Udo Lindenberg und Helge Schneider führten. Konsequent und forciert suchte der alte Beatles-Fan nach einer intelligenten Verbindung von Jazz und Pop. Zappelbude hieß sein erstes eigenes Projekt, das er gemeinsam mit dem langjährigen Weggefährten Wolfgang Haffner von 1996 an in Szene setzte: ein zeitgemäßer Live-Act in All-Star-Besetzung, der 70er-Jahre-Funk und noch älteren Soul mit Acid Jazz durcheinanderwirbelte, dass es eine wahre Freude war. Eine Visitenkarte, die ihm Zugang verschaffte zu den wichtigsten Vertretern des aufkommenden Nu Jazz. Till Brönner, „The Notwist”, „Console” oder Rigmor Gustafsson – sie alle vertrauten in jüngster Zeit auf die markanten, stets geschmackssicheren Einfälle des Mannes an den Tasten und Konsolen. Hip ist auch die Vokabel, die einem zum aktuellen Projekt Di Gioias einfällt, das er seit Jahren intensiv vorbereitet hat. „Marsmobil“ ist die Quersumme dessen, was er in den letzten Jahren getrieben hat. Das Projekt weist ihn einmal mehr als ökonomisch und eigenwillig spielenden Tastenfuchs, nun aber auch noch als Multiinstrumentalisten aus. Bei der raffiniert coolen, chilligen Melange aus Soft-Jazz, Indischen Elementen, Flower-Power-Pop und Trip Hop spielt er neben Keyboard, Fender Rhodes und Klavier Gitarre, Sitar und Tabla, er singt und hat per Rechner auch noch Schlagzeug und Bass übernommen. Auf der in der neuen Nu- Jazz-Reihe von ACT erschienenen CD leistet sich Di Gioia überdies den Luxus, bei jedem Track andere illustre Gäste aufzufahren: von Klaus Doldinger und Till Brönner über Nils Landgren und Johannes Enders – der ja mit „Enders Room” erfolgreich ein ähnliches Projekt lanciert hat – bis zum verblüffend stimmig Flöte blasenden TV-Komiker Wigald Boning. Trotzdem ist die Sache live interessanter. Weil man da auch Di Gioias ebenfalls hundertprozentig geschmackssicheres Drumherum genießen kann, von der psychedelischen Lichtgestaltung bis zu Super-8-Vorführungen auf alten, mühsam selbst zusammen gelöteten Flohmarkt-Fernsehern. Und natürlich seine schicken Klamotten. Oliver Hochkeppel |
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