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Angesichts der Probleme, welche die „Interessengemeinschaft Jazz Burghausen“ mit dem divenartigem Verhalten einiger überdrehter Stars im Rahmen der Eröffnungskonzerte der letzten Jahre hatte, kann man es als äußerst mutig bezeichnen, dass die IG Jazz dieses Jahr zur Eröffnung der 35. Internationalen Jazzwoche Burghausen ausgerechnet die extravagante Nina Hagen präsentierte.
Wenngleich die Lady des Extravaganten ihrem Ruf rein optisch mit typischer Hagen-Frisur, einem langen schwarzroten Lederkleid mit Schleppe, schwarzen Plateaustiefeln sowie mit einem Handtäschchen, aus dem sie eine Banane nahm und nicht ohne Hintergedanken schälte, alle Ehre machte, verdient ihre stimmliche Leistung großen Respekt. Zu hören waren Mainstream-Standards wie „That’s Why The Lady Is A Tramp“, „Fever“ oder „Somewhere Over The Rainbow“, die Nina Hagen natürlich in der ihr eigenen stark affektbezogenen Art interpretierte. Gerade dadurch verlieh sie den Nummern aber des öfteren auch eine neuartige Ausdruckskraft. Die Leipzig Big Band, die unter der Leitung von Frank Nowicky mit Nina Hagen auf der Bühne stand, präsentierte sich auf höchstem internationalen Niveau und bot innovative Arrangements, die sowohl harmonisch als auch melodisch den Reiz des mitreißend Außergewöhnlichen aufweisen konnten. Etwas enttäuschender verlief da insgesamt der Auftritt von Till Brönner, der im Rahmen des ersten Doppelkonzertes vor Nina Hagen in der Wackerhalle gastierte. Zwar konnte der deutsche Newcomer-Trompeter mit seiner Combo durch einige interessante Crossover-Kompositionen überzeugen und ab und zu wurde in diesem stilistisch breit gefächerten Programm auch richtig Jazz gespielt mit Bebop-Walking-Lines des Basses und ausdrucksstarken Improvisationen. Die unbedingt gewollte stilistische Breite ging aber manchmal auf Kosten der Tiefe. Als Beispiel kann hier die countryartige Nummer „So Right, So Wrong“ gelten, in welcher Brönner das Publikum zum Mitsingen ziemlich läppischer Silben animierte. Der Donnerstag brachte mit dem Auftritt der Soul Survivors einen echten Höhepunkt des Festivals. Denn was Les McCann (E-Piano, Gesang), Cornell Dupree (Gitarre), Ronnie Cuber (Tenorsaxophon), Gordon Edwards (E-Bass) und Buddy Williams (Schlagzeug) hier über die Bühne ließen, war in der Tat weltklasse Blues und Soul vom Feinsten. Schon im einleitend interpretierten „Things Ain’t What They Used To Be“ wurde deutlich, dass dieses Quintett den echten Blues nicht nur im Blut, sondern auch in den Knochen hat. Nach der Pause betrat dann die Formation um den hochgelobten jungen Pianisten und Posaunisten Brian Culbertson die Bühne. Leider entwickelte sich dieser Auftritt zu einem Paradebeispiel, wie sieben versierte und rein fingertechnisch perfekt agierende Musiker ein durch die Bank eintöniges Programm produzieren können. Das lag ganz einfach an der ziemlich einfallslosen Machart der Kompositionen. Immer wieder erklangen die gleichen kantabil-poppigen Melodien, immer wieder vernahm man auf virtuose Effekthascherei aufgebaute Soli, die jeden Auf- und Abbau eines Spannungsbogens vermissen ließen und immer wieder hämmerte der Drummer Felix Pollard mit Snare-Drum-Schlägen auf der zweiten und vierten Zählzeit der Viervierteltakte die stereotype Motorik eines bis ins Extrem geglätteten Pop-Jazz in die Halle, der sich „Smooth Jazz“ nennt. Bei einem Teil des Publikums kam die Band dennoch gut an. Einen insgesamt großen Jazzabend brachte der Freitag mit dem Konzert des Altmeisters Charlie Mariano und dem James Carter Trio. Mariano präsentierte seine dezente, aber fesselnde Weltmusik. Man vernahm schöne, sangliche Themen, geprägt von verschiedenen ethnologischen Einflüssen, gepaart mit Rhythmen, die vom Latin über Jazz-Rock bis hin zur Ballade reichten. Das Beeindruckende an Marianos Spiel ist, dass es nicht plakativ und aufdringlich sein muss, um die hohe künstlerische Qualität zu beweisen. Der 80-jährige Saxophonist verstand es an diesem Abend hervorragend, seine ganze Routine und Reife über die Bühne zu bringen. James Carter bot ebenso Kreatives wie Virtuoses. So kam man in den seltenen Genuss eines Solos auf dem Pedalbass der Hammond B3 und man vernahm von James Carter eine Improvisation, in der er minutenlang die Zirkulationsatemtechnik verwendete, um seinen Spielfluss nicht zu unterbrechen. Fetzigen Bebop-Parts mit dem Tenorsaxophon folgten aber auch wiederum wunderschön entspannte Balladen oder Intros auf dem Sopransaxophon, die zum Beispiel mit harfenartigen Klängen auf dem Keyboard arpeggienartig unterlegt wurden. Während am Samstag in der Wackerhalle Quadro Nuevo und später Pacode Lucia auf der Bühne standen, war gleichzeitig im Stadtsaal Experimentelles angesagt. Da betreten drei Musiker die Bühne und fangen ohne Ansage einfach an, frei zu improvisieren. Es entstanden Zwiegespräche, noch kein Beat, aber ein Puls und siehe da irgendwann trat auch ein Beat auf und es entwickelten sich Themen und Motive, die kommunikativ verarbeitet werden und dann tauchte sogar sowas Ähnliches wie ein Chorus auf. Das ist die Vorgehensweise des Sam Rivers Trio, das mit Sam Rivers (Saxophone, Klavier, Querflöte), Anthony Coles (Schlagzeug, Klavier, Tenorsaxophon) und Doug Matthews (Kontrabass, E-Bass, Bassklarinette) am Samstagabend im Stadtsaal gastierte. Das experimentelle Trio war an Einfallsreichtum kaum zu überbieten. Experimentell ging es dann im Stadtsaal weiter, als die achtköpfige John Zorn Electric Masada die Bühne betrat. Die Formation um den Avantgarde-Saxophonisten lieferte ein Spektakel ab, das aus Crossover-Collagen bestand, in denen gnadenlos Jazz, Punk, Heavy Metal, Rock sowie orientalische und asiatische Elemente aneinandergereiht und verarbeitet wurden. Viel elektronische Technik ermöglichte beispielsweise sphärische Klänge zu einem Siebenachteltakt und vor allem in orientalisch geprägten Passagen Meditatives. Zum Abschluss des Festivals beeindruckte am Sonntag zunächst das Esbjörn Svensson Trio durch kammermusikalischen Jazz der vielseitigen Art. Das zweite Highlight des Abends stand dann nach der Pause mit der siebenköpfigen Formation um den weltbekannten australischen Trompeter James Morrison auf der Bühne. Die Band bot insgesamt einen wirklich packenden Gesamteindruck auf höchstem Niveau und somit einen würdigen Abschluss für das renommierte Festival. Das Publikum war zurecht begeistert. Stefan Rimek |
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