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„Rassismus ist ein Produkt der amerikanischen Fabrik. (…) Man kann nicht ernsthaft über Amerika diskutieren, ohne über Rassismus zu diskutieren. Als Schwarzer, der in Amerika lebt, ist man täglich mit diesem Phänomen konfrontiert. Für Weiße mag das etwas anders aussehen. Sie mögen glauben, dass die Zeiten vorbei sind…“. Ganz ohne Larmoyanz, hasserfüllte Ablehnung oder vorwurfsvolles Lamento beschreibt Steve Coleman in einem Interview mit dem Journalisten, Publizisten und Dozenten Christian Broecking seine Situation als schwarzer Musiker in den Vereinigten Staaten. In den 80er-Jahren hat der in Chicago aufgewachsene Altsaxofophonist in New York mit seinem M-Base-Konzept eine Strategie entwickelt, sich abseits der herrschenden Verwertungs- und Vermarktungsmaschinerie zu behaupten. Das ist ihm auch gelungen, für andere, wie die Sängerin Cassandra Wilson, ist es zum Sprungbrett ins Big Business geworden. Für den Independant-Jazz, der sich eigene Wege zu den Hörern und Verbrauchern suchen, aufbauen und sichern muß, wurde Coleman damit zu einer der wichtigsten Figuren. Er steht damit in einer Tradition um Selbstbehauptung und Anerkennung, die sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der schwarzen Jazzmusik(er) Amerikas von den Anfängen bis heute hindurch zieht. Broecking fasst in seinem Band Interviews mit afroamerikanischen Jazzmusikern aus einem Jahrzehnt zusammen. Darin geht er vor allem Fragen nach, wie es um die Anerkennung und die „unterschiedlichen Strategien der Verweigerung und Selbstbehauptung in Zeiten größten Respekt-Mangels“ schwarzer Jazzmusiker heute steht und was aus den Revolutionen des Freejazz der 60er-Jahre und den Initiativen von Musikern wie Sam Rivers – mit seinem Rivbea-Studio – Bill Dixon, Archie Shepp und Max Roach geworden ist. „Man wird nicht beleidigt“, zitiert er in einem einleitenden Diskurs Richard Sennett, „aber man wird auch nicht beachtet, man wird nicht als Mensch angesehen, dessen Anwesenheit etwas zählt“. Heute sind es vor allem schwarze Rapmusiker, die musikalisch mit Nachdruck darauf pochen und Respekt für sich (und ihre Kultur) einfordern. Sonny Rollins, anläßlich seines 65. Geburtstages 1995 zum „Größten lebenden Jazzmusiker“ erkoren, sieht den Grund für mangelnden Respekt im Jazz als einer „sehr schwarzen Musik: Viele Leute wollen ihn aus ebendiesem Grund einfach nicht respektieren“. Mit dem Trompeter Wynton Marsalis, Leiter der Jazzabteilung des New Yorker Lincoln-Centers, ist der Jazz in der obersten Etage des amerikanischen Kunstbetriebes ankommen. Und dieser Fakt spielt natürlich in den Interviews eine Rolle, scheiden sich doch an Marsalis und dessen gezielter Bevorzugung seines neokonservativen Anhangs die Geister. Der einstige ,Feuerspeier‘ Archie Shepp, dessen Album „Fire Music“ ein Synonym für die Aufbruchstimmung der 60er-Jahre ist, und inzwischen bluesgeläuterter Traditionalist schäumt gegen den „Vorzeigeneger“. Er sieht den Jazz zur „kommerziellen Idee“ verkommen, „Jazz ist wie Kleenax, Marlboro oder Coca Cola“. Während der Schlagzeuger Max Roach eher verbittert wirkt und zur Segregation – getrennte Entwicklung von schwarz und weiß – zurückkehren möchte, klingen Rollins und Wayne Shorter auch in ihrer Kritik an den Verhältnissen, die sich nur sehr wenig oder langsam verändern (lassen), viel wärmer und offener. Selbst wenn man einige Interviews aus der taz oder anderen Zeitschriften kennt, ist „Respekt!“ ein wichtiges und notwendiges Buch. Broecking fragt seine Interviewpartner nach der verändernden Kraft ihrer Musik. Die so unterschiedlichen Antworten sind gerade auch für uns Europäer ungemein förderlich die Verschiedenartigkeit und Vielfalt innerhalb der schwarzen Musikszene mit neuen Augen zu sehen (und den Ohren zu hören). Ergänzend zu dem Interviewband ist bei Impulse/Universal Jazz eine Compilation-CD erschienen, auf der Broecking viele Stücke von den im Buch zu Wort kommenden Musikern versammelt hat. Respekt, Respekt, kann ich da nur sagen. Michael Scheiner |
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