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Jazzzeitung

2004/06  ::: seite 16

rezensionen

 

Inhalt 2004/06

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / News / break
musiker-abc:
Webster Young
no chaser:
Sinuskurven-Jazz
all that jazz:
Die Lebenden und die Toten
farewell: Jazzgeiger Claude Williams und Barney Kessel


TITEL / DOSSIER


Titel: Ein Mann mit Geschmack
Roberto Di Gioia startet mit seinem „Marsmobil“ durch
Dossier. Südafrika
Musik ist unsere Waffe
Eindrücke vom North Sea Jazz Festival Kapstadt 2004


BERICHTE


Trio Diplomatique im Berliner // Internationale Jazzwoche Burghausen // „Jazz in der Oper“ Halle // Internationalen Jazztage Ilmenau // Dejan Terzic und „Underground“ in der Nürnberg // Lyambiko in Regensburg // Ars-Baltica-Initiative in Salzau // New Orleans Music Festival Wendelstein // Mittelmeer-Jazzkreuzfahrt 2004


 JAZZ HEUTE


The thing called love
Cologne Contemporary Jazz Orchestra mit Lee Konitz
Licht ins Dunkel bringen
Auszug aus einem Vortrag von Joe Viera zum Thema „Warum Jazz?“


 PORTRAIT / INTERVIEW


Al Jarreau // Altsaxophonist Dirk Meissner // Skandinavischen Stimmen // LAX aus Berlin


 PLAY BACK / MEDIEN


Ein-Mann-Team
Thomas Stabenows Label „Bassic Sound“
Hauptstadt des Jazz

Fünfteilige Reihe des Hessische Rundfunks
CD. CD-Rezensionen 2004/06
Bücher. Broeckings Untersuchung „Respekt!“ zur schwarzen Jazzkultur // Derek Coller: Clarinet Marmelade ... // Bill Moodys fünfter Detektivroman
Noten. Neue Noten für Pianisten // Dixieland-Classics zum Mitspielen

Medien. link-tipps


 EDUCATION


Abgehört. Oberste Direktive: Groove
Sparsam mit seinen Changes: Vibraphonist Steve Nelson
Ohne Grenzen
Nachwuchswettbewerb New Generation

Kurse, Fortbildungen etc.


SERVICE


Critics Choice

Service-Pack 2004/06 als pdf-Datei (kurz, aber wichtig; Clubadressen, Kalender, Jazz in Radio & TV, Jazz in Bayern und anderswo (468 kb))

Feuerspeier, Vorzeigeneger

Broeckings Untersuchung „Respekt!“ zur schwarzen Jazzkultur

Christian Broecking, Respekt!, Verbrecher Verlag, Berlin 2004, 144 S., 13,- €

„Rassismus ist ein Produkt der amerikanischen Fabrik. (…) Man kann nicht ernsthaft über Amerika diskutieren, ohne über Rassismus zu diskutieren. Als Schwarzer, der in Amerika lebt, ist man täglich mit diesem Phänomen konfrontiert. Für Weiße mag das etwas anders aussehen. Sie mögen glauben, dass die Zeiten vorbei sind…“. Ganz ohne Larmoyanz, hasserfüllte Ablehnung oder vorwurfsvolles Lamento beschreibt Steve Coleman in einem Interview mit dem Journalisten, Publizisten und Dozenten Christian Broecking seine Situation als schwarzer Musiker in den Vereinigten Staaten. In den 80er-Jahren hat der in Chicago aufgewachsene Altsaxofophonist in New York mit seinem M-Base-Konzept eine Strategie entwickelt, sich abseits der herrschenden Verwertungs- und Vermarktungsmaschinerie zu behaupten. Das ist ihm auch gelungen, für andere, wie die Sängerin Cassandra Wilson, ist es zum Sprungbrett ins Big Business geworden. Für den Independant-Jazz, der sich eigene Wege zu den Hörern und Verbrauchern suchen, aufbauen und sichern muß, wurde Coleman damit zu einer der wichtigsten Figuren. Er steht damit in einer Tradition um Selbstbehauptung und Anerkennung, die sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der schwarzen Jazzmusik(er) Amerikas von den Anfängen bis heute hindurch zieht.

Broecking fasst in seinem Band Interviews mit afroamerikanischen Jazzmusikern aus einem Jahrzehnt zusammen. Darin geht er vor allem Fragen nach, wie es um die Anerkennung und die „unterschiedlichen Strategien der Verweigerung und Selbstbehauptung in Zeiten größten Respekt-Mangels“ schwarzer Jazzmusiker heute steht und was aus den Revolutionen des Freejazz der 60er-Jahre und den Initiativen von Musikern wie Sam Rivers – mit seinem Rivbea-Studio – Bill Dixon, Archie Shepp und Max Roach geworden ist. „Man wird nicht beleidigt“, zitiert er in einem einleitenden Diskurs Richard Sennett, „aber man wird auch nicht beachtet, man wird nicht als Mensch angesehen, dessen Anwesenheit etwas zählt“. Heute sind es vor allem schwarze Rapmusiker, die musikalisch mit Nachdruck darauf pochen und Respekt für sich (und ihre Kultur) einfordern. Sonny Rollins, anläßlich seines 65. Geburtstages 1995 zum „Größten lebenden Jazzmusiker“ erkoren, sieht den Grund für mangelnden Respekt im Jazz als einer „sehr schwarzen Musik: Viele Leute wollen ihn aus ebendiesem Grund einfach nicht respektieren“.

Mit dem Trompeter Wynton Marsalis, Leiter der Jazzabteilung des New Yorker Lincoln-Centers, ist der Jazz in der obersten Etage des amerikanischen Kunstbetriebes ankommen. Und dieser Fakt spielt natürlich in den Interviews eine Rolle, scheiden sich doch an Marsalis und dessen gezielter Bevorzugung seines neokonservativen Anhangs die Geister. Der einstige ,Feuerspeier‘ Archie Shepp, dessen Album „Fire Music“ ein Synonym für die Aufbruchstimmung der 60er-Jahre ist, und inzwischen bluesgeläuterter Traditionalist schäumt gegen den „Vorzeigeneger“. Er sieht den Jazz zur „kommerziellen Idee“ verkommen, „Jazz ist wie Kleenax, Marlboro oder Coca Cola“. Während der Schlagzeuger Max Roach eher verbittert wirkt und zur Segregation – getrennte Entwicklung von schwarz und weiß – zurückkehren möchte, klingen Rollins und Wayne Shorter auch in ihrer Kritik an den Verhältnissen, die sich nur sehr wenig oder langsam verändern (lassen), viel wärmer und offener.

Selbst wenn man einige Interviews aus der taz oder anderen Zeitschriften kennt, ist „Respekt!“ ein wichtiges und notwendiges Buch. Broecking fragt seine Interviewpartner nach der verändernden Kraft ihrer Musik. Die so unterschiedlichen Antworten sind gerade auch für uns Europäer ungemein förderlich die Verschiedenartigkeit und Vielfalt innerhalb der schwarzen Musikszene mit neuen Augen zu sehen (und den Ohren zu hören). Ergänzend zu dem Interviewband ist bei Impulse/Universal Jazz eine Compilation-CD erschienen, auf der Broecking viele Stücke von den im Buch zu Wort kommenden Musikern versammelt hat. Respekt, Respekt, kann ich da nur sagen.

Michael Scheiner

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