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Gräusliches Wetter und zuweilen heftiger Seegang trübten ein wenig die Stimmung bei der diesjährigen Mittelmeer Jazzkreuzfahrt auf der MS Ocean Monarch. Laut ursprünglichem Reiseplan sollte das Schiff von Nizza aus in See stechen. Kurzfristig aber hatte es der Kapitän in den Hafen der Industriestadt Savona umdirigiert. Das bescherte den Festivalgästen nicht nur eine beschwerlichere An- und Abreise, es betrog die Passagiere vor allem auch um den Besuch der mondänen Savoyer Künstlermetropole an der malerischen Cote d’Azur.
Dennoch gelang es den 35 Jazzmusikern an Bord auf der Route über Marseille, Barcelona, Valencia, Cagliari/Sardinien und Ajaccio/Korsika die zeitweilig mächtig schwankenden Schiffsplanken der MS Ocean Monarch in jazzig-pulsierenden Swing zu versetzen. Da es auf dem Außendeck meist recht frisch und zugig zuging, wurde hauptsächlich auf zwei Bühnen unter Deck musiziert. Bei den allabendlichen Jamsessions vergnügte man sich in der Neptunbar bis in die frühen Morgenstunden. Die gute Organisation der Reiseveranstalter Peter und Ulrike Seefried (PS-Tours) konnte manchen vom Schiffcharterer verursachten Unmut unter den Gästen wieder aufwiegen. Und für die überteuerten und wenig attraktiven Landausflugsprogramme des Schiffcharterers (Hansatouristik) entschädigten immerhin die Größzügigkeit der Kabinen an Bord und vor allem die kulinarischen Genüsse, die der indische Chefkoch an Bord zu zubereiten wusste: Fächer von gedämpfter Birne an Minzdressing, Champignons in Portweinsauce an Briocheterrine, Languste mit Safransauce, Duett von schwarzem und und weißem Schokoladenmousse mit frischen Erdbeeren...und manche leckere Köstlichkeit mehr. Mit dem „Stompin’ at the savoy“ oblag es Engelbert Wrobel in seiner humoristischen Art das Festival mit seiner „Swing Society“ in klassischer Manier zu eröffnen. In der Grand Aera des Swing erfuhr diese Jazzkreuzfahrt dann auch ihren besonderen Schwerpunkt. So konnte vor allem Colin Dawsons „Echoes of Swing Orchestra“ mit seiner lupenreinen Stiltreue überzeugen. Die feinen Arrangements des Altsaxophonisten Chris Hopkins, die exzellenten Stride-Einlagen des Pianisten Bernd Lhotzky aber auch die stimmliche Präsenz der Sängerin Shaunette Hildabrandt vermittelten Authentizität – für Liebhaber der feinen Swing-Musik eine wahre Freude! Auch die Beiträge der Swingcats, sowie des Quartetts um den französischen Sopransaxophonisten (und Sydney-Bechet-Preisträger) Oliver Franc verwiesen ebenso wie das Boogie & Blues Trio von Frank Muschalle auf den klassischen Jazz. Um den Mainstream-Jazz mühte sich auch diesmal wieder eine Allstar-Combo. An der Seite von oft allerdings etwas in blässlichen Traditionalismen verharrenden Solisten – wie Posaunist Jiggs Wigham, Tenorist Gianni Basso, Trompeter Dusko Goykovich oder auch Schlagzeug-Matador Charly Antolini – brachte vor allem Tenorsaxofonist Peter Weniger manche belebende Frische ins Spiel. Auch die farbige Melodik des Tenoristen Gustl Mayer – zugleich seit vielen Jahren künstlerischer Leiter des Festivals – konnte einmal mehr Gefallen finden.
Zu den Stargästen, die ein gutes Stück deutscher Jazzgeschichte mitgeschrieben haben, waren neben Paul Kuhn auch der Vibraphonist Wolfgang Schlüter mit von der Partie. Mit seinem virtuosen Schlegelspiel krönte Schlüter das Quintett des Klarinettisten Stephan Holstein – für die anspruchsvolleren Jazzfreunde an Bord eines der Highlights im Programm. Überdies konnte Stephan Holstein im kammermusikalischen Triospiel mit Pianist Tizian Jost und Bassprofessor Thomas Stabenow ebenso feine Akzente setzen wie als Gastsolist bei der Ladycombo „Witchcraft“ um die stets in fröhlicher Spielfreude swingende Kontrabassistin Lindy Huppertsberg. Zusätzliche Akzente setzten die Specials. Mit einem Schlagzeug-Memorial gedachte man der gerade verstorbenen Schlagzeug-Legende Elvin Jones. In unterschiedlichen Stilistiken zollten die Drummer an Bord dem großen Meister noch einmal ihren ganz persönlichen Tribut, so dass sich pünktlich zu dieser Gedenkstunde gar noch der Mond verfinstern mochte. Effektvolle Kontraste vermittelte auch ein Piano-Special von vier Pianisten an zwei Klavieren: Neben dem stilistisch-versierten Allrounder Thilo Wagner und dem Left-Hand-Spezialisten Jean-Baptiste Franc stand den feinfühlig-zarten Voicings der jungen, hochtalentierten „Witchcraft“-Pianistin Anke Helfrich die enorme Brillanz des wunderbaren David Gazarov gegenüber. Den jetzt bei Salzburg lebenden ukrainischen Virtuosen wissen Kenner zweifellos schon lange zu den bedeutendsten Pianisten unserer Zeit zu zuordnen. Wohl um die immense technische Meisterschaft Gazarovs noch einmal extra zu unterstreichen fragte ihn ein Teilnehmer des Jazzworkshops bei der morgendlichen Übungsstunde, wo er denn seine 24 Finger hernehme, mit denen er am Vorabend über die Tasten gefegt sei. Vielleicht mag der Pianofreund ja eine Antwort in den Übungsblättern finden, die Gazarov in seiner freundlich-bescheidenen Wesensart seinen Schülern weitergab. Wolfgang M. Seemann |
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