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Als Al Jarreau 1998 zum GRP Label wechselte, machte er eine unvorsichtige Versprechung: „Jazziger“ sollten seine Alben werden. Denn das forderten die Fans seit vielen Jahren. Was immer auch „jazziger“ bedeutet. Sechs Jahre sind seit dem Plattenfirmenwechsel vergangen. Sechs Jahre, in denen das Versprechen kaum eingelöst wurde. „Ja“ meint Al Jarreau zu Beginn eines aufgekratzten Interviews, das er durch witzige aber endlose Gesangs- und Scateinlagen oder Beatbox-Rhythmen im drei Minuten Takt unterbricht, zerknirscht, „ganz konnte ich dieses Versprechen nicht halten“. Dennoch ist er mit dem aktuellen Album „Accentuate the Positive“ auf einem guten Weg. Randbemerkungen: Keith Anderson am Sax, an der Orgel Larry Goldings, am Piano Russel Ferrante und am Schlagzeug der unvergleichliche Peter Erskine. Das klingt nach Jazz wie er von Al Jarreau verlangt wird. „Ich denke“, greift Al Jarreau das „jazzige“ Thema erneut auf, „dass ich mit der neuen Platte ein Teilversprechen einlöse, zumindest das erste Kapitel in einem Buch, das mit ähnlichen Arbeiten gefüllt ist“. Stimmt eigentlich. So weit weg vom Jazz wie man ihm das nach den ersten Alben bei GRP („Tomorrow, Today“ 2000 und „All I Got 2002) unterstellt hatte, war er nie. Außerdem würde allein der Begriff „jazziges Album“ implizieren, dass die Verwender eine Menge über die Definition Jazz wüssten. Und damit Dekaden mit Jazzdiskussionen überflüssig machten. „Richtig“, fährt Al Jarreau dazwischen, „es gab stets unterschiedliche Aspekte. Nimm Norah Jones. Sie rückt Jazz in einen anderen Blickwinkel und obwohl sie keine Ella Fitzgerald ist, akzeptiert man ihre Auslegung. Jeder schafft sich so sein Jazz-Areal, das für den einen eben „jazziger“ als für den anderen klingt. Und Norah Jones bringt dem Genre jede Menge neue Zuhörer. Ich mag diese Art des Jazz. Die Restriktionen, die einige in die Jazzdefinition tragen, dienen der Sache überhaupt nicht“. Also ist diese neue Charts-Kompatibilität des Jazz mit Norah Jones, Diana Krall oder Jamie Cullum zu begrüßen, weil sie Jazz mitunter populärer macht. Kann sich Al Jarreau aus diesem Trend noch Inspiration saugen? Oder läuft das an ihm vorbei? Die Antwort überrascht. „Ich hatte bis jetzt nicht die geringste Möglichkeit ihre Alben so ausführlich zu hören, um davon inspiriert zu werden. Ich sollte das nicht sagen, dafür könnte ich gefeuert werden, schließlich handelt es sich um Labelkollegen. Aber ich möchte nicht ausschließen, dass sie mich eines Tages inspirieren. Ich lerne gerne dazu und warum sollten diese Einflüsse nicht einmal Teil meiner Musik werden“? Eine Offenherzigkeit, die Al Jarreau durch eine lange und erfolgreiche Karriere führte, die es selbst im Jahr 2004 erlaubt, unbehäbig an alte Jazzhits zu treten, diese neu aufzunehmen und ihnen trotz der unzähligen Interpretationen, die sie bisher erfahren haben, den „Jarreau“-Stempel aufzudrücken. „Accentuate the Positive“ wartet mit einer Mischung aus sieben alten Jazzhits (Dizzy Gillespies „Groovin’ High“, Duke Ellingtons „I’m Beginning To See The Light“ oder Bill Evans „Waltz For Debbie“) auf und hält nebenbei ein paar Kompositionen neueren Datums (Eddie Harris „Cold Duck“, Freddie Ravel „Betty“) bereit, zu denen Al Jarreau selbst verfasste Texte schrieb. „Diese Songauswahl auf dem aktuellen Album ist ein Vorgang über viele Jahre“, beschreibt Al Jarreau die Selektion. „Nicht, dass ich Jahre grübeln musste, allerdings habe ich mir im Lauf der Zeit Notizen über bestimmte Songs gemacht. Songs, die mich berührten und für mich in Bezug auf meine Musik Bedeutung hatten“. Musik, die mit dem Namen Al Jarreau verbunden, nach wie vor echt und wirklich gemacht wird. Denn selbst im Jazz scheint das langsam keine Selbstverständlichkeit mehr. Denkt Al Jarreau über seine musikalische Echtheit nach? „Absolut“, schreit er fast empört, „ich hinterfrage das prinzipiell jeden Tag und achte sehr darauf, dass jedes Wort, das meinen Mund verlässt, echt ist. Das betrifft auch die Musik. Nicht alles muss gleich Beethovens Fünfte sein, aber ich versuche mich frisch zu halten, meine Musik zu variieren und so echt zu bleiben. Das ist das Geheimnis des Erfolgs“. Sven Ferchow |
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