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Seit die Kanadierin Diana Krall vor plüschigem Orchester das amerikanische Liederbuch sehr erfolgreich plünderte und dabei aussah wie das Titelgirl der Zeitgeistmagazine, atmet eine gebeutelte Plattenindustrie wenigstens von den Rändern her auf. Der Siegeszug manch unbekannter Sängerin begann wenig später. Norah Jones als Spitze des Eisbergs hielt im vorigen Jahr acht Grammys in die Blitzlichtgewitter, die sie für ihr inzwischen 18 Millionen mal verkauftes Debütalbum empfangen hatte. Die Zielgruppe sitzt in gut designten Wohnzimmern und Bars vor der neuen Soundtapete. Es sind gut situierte Leute, die Platten noch kaufen und nicht brennen, die sich wohlfühlen mit handgemachten, durchschaubaren Liedern, auf die man sich schnell einigen kann. Joss Stone, Alicia Keys, Sophie Zelmani, Viktoria Tolstoy: Nun singen sie wieder, ganz einfach, luftig und angenehm übersichtlich. Die Welt ist kompliziert genug, gönnen wir uns was Schönes. Gute Vorzeichen also für den Saisonstart von Halles „Jazz in der Oper“. Und das Haus war voll zur langen Samstagnacht des 1. Mai, vom Cultour-Büro und den Stadtwerken möglich gemacht, vom mdr mitgeschnitten. Gut so. „German Voices“ stand auf den Plakaten. „Woher, wohin“, hätte man ergänzen können, denn am Ende führte Silvia Droste, die 1987 für ihr Debüt einen Preis der Deutschen Schallplattenkritik bekommen hatte, zurück zu den Wurzeln im Great American Songbook. Das war nicht mehr wirklich spannend und auf einer großen Bühne schon gar nicht, weil ein bisschen angestaubt, sehr routiniert und bis ins Detail vorhersehbar. Balladen sind so vor allem ermüdend, und Hilde Knef hört man sowieso am besten im Original. Peter Fessler ist ein Original, sophisticated, sehr kultiviert an der Gitarre und mit einer Vier-Oktaven-Stimme, die aus der Höhe in den tiefsten Bass bremst und zurück. Seine Gesänge sind Kopfgeburten, wunderschön der Linie Al Jarreau-Gilberto Gil entlang gen Brasilien gerichtet. Fessler fesselt mit Bossa, Samba, Calypso, mit Kern/Hammerstein, Roberta Flack und Antonio Carlos Jobim. Seine One-Man-Show ist schmeichelnde Unterhaltung zum Wohlfühlen, sie führt weg von der Basis in den Äther. Sie wurde genau in dem Moment zum guten Auftakt, als sie scattend, trötend und dröhnend eine ganze Band simulierte und aus den künstlichen Paradiesen zu paradiesischer Kunst überleitete. Die lieferten Constanze Friend und Thomas Fellow, die sich im Duo Gesang/Gitarre „Friend ’n Fellow“ nennen und mit den Jahren in ihrem Dialog eine Souveränität gewonnen haben, die den Atem nimmt. Sie kann alles singen, Deep Purple, Gershwin, Beatles und „What a Wonderful World“, er kann alles begleiten, vorantreiben und auf sechs Saiten kommentieren. Ihre dunkle Stimme und seine drängelnd-dräuenden Linien gehen in ganz erstaunlicher Weise einen neuen Weg. Die Eckpunkte heißen Blues, Pop, Jazz und Soul und werden kräftig ziseliert zu Eigenem. Das ergab den unverhofften Höhepunkt an diesem sehr schönen Liederabend. Standing Ovations. Die Richtung stimmt. Weiter gehen wird es mit Jan Garbarek, Nils Landgrens ABBA-Projekt, Till Brönner und dem Esbjörn-Svensson-Trio. Ulrich Steinmetzger |
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