Anzeige |
|
|
Anzeige |
|
Als Jazzkritiker bekommt man zurzeit ein nettes Sortiment an Computer-Musik ins Haus, die sich „NuJazz“, „Electronic Jazz“ oder Sonstwas-Jazz schimpft. Das alles brummelt etwa so einfallsreich vor sich hin wie eine alte Mikrowelle und hat nicht halb so viel Jazz in sich wie die Durchschnitts-Serenade einer Gartenamsel im Frühjahr. Soll ich Ihnen was sagen? Ich kannte mal einen Personenaufzug, der klickte im 7/8-Takt! Verglichen mit „NuJazz“ war das ein halsbrecherisches Sound-Abenteuer! Aber eines muss ich diesen Elektro-Installateuren lassen: Ich kann prima dabei einschlafen. Nur haben die Träume, die sich dann einstellen, zuweilen etwas Beklemmendes. Kürzlich dämmerte ich beim Mikrowellen-Groove auf dem Sofa und fand mich schon im nächsten Augenblick irgendwo in der Zukunft wieder. Es war alles sehr weiß, die Körperlichkeit des Menschen galt als „modern reduziert“, wir waren wohl alle schon zu einer unvollkommenen elektronischen Sinuskurve veredelt. Das Materiellste an mir war eine Art Allround-Handy, das mich mit der Welt versorgte: mit Gesprächspartnern, die ich nicht kannte, Nahrung, die ich nicht schmeckte, Energie, die ich nicht spürte. Ein Zählwerk am Handy zeigte meinen Kontostand: Jede Aktion ließ die Ziffern abwärts rasen, aufwärts ging es nie. Zwischendurch hängte man das Handy an eine Art Steckdose, auf der WEBS stand. Dort gab es jedes Mal einen so genannten Universal-Music-Rabatt, für den man sich ein paar schläfrige Elektro-Beats in die eigene Sinuskurve laden konnte. Ich dachte noch mit Schrecken: Was ist wohl aus den anderen Musik-Konzernen geworden? Und erwachte mit einem völlig unsinnigen Herzklopfen. Die Mikrowellenmusik pochte und zischte noch aus meinen Boxen, aber ich war froh, mein Sofa wieder zu spüren. Da fiel es mir plötzlich ein: WEBS hieß bestimmt Warner-EMI-BMG-Sony. Rainer Wein
|
|