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Im Vorfeld hätte es beinahe einen Eklat gegeben. MünchenMusik, ein ortsansässiger Veranstalter für überwiegend klassische Großevents, hatte über Nacht beschlossen, nicht mehr unter dem Dach des Klaviersommers beworben werden zu wollen, weil der eigene Name in der Öffentlichkeit nicht genug gewürdigt worden sei. Die Kooperation einheimischer Veranstalter drohte auseinander zu brechen. Fax-Geräte glühten, man telefonierte ausgiebig und klärte einige Missverständnisse in der geschäftlichen Kommunikation, bis schließlich doch noch alles im geplanten Rahmen stattfinden konnte. Und das war gut so. Denn eigentlich war der Klaviersommer in punkto Organisation richtungsweisend. Da seit drei Jahren die öffentlichen Zuschüsse fehlen, hatte man ein System der Zusammenarbeit zwischen den ursprünglichen Ahnherren des Festivals, der Agentur Loft, dem Bayerischen Hof, der Muffathalle, der Bayerischen Staatoper und eben MünchenMusik vereinbart. Das Resultat dieser Kooperationen war beachtlich. Die 21. Ausgabe des Klaviersommers brachte innerhalb von 9 Tagen 15 hochkarätige Jazzkonzerte auf Münchner Bühnen. Da war zum Beispiel Joe Zawinul, der urige Exil-Österreicher und Keyboard-Magier, der mit seiner Update-Version des „Zawinul Syndicate“ und der Sängerin Maria João als Gast im Prinzregententheater die Möglichkeiten pfiffigen Elektrojazz’ präsentierte. Er blieb nicht der einzige berühmte Name des Programms. Da fanden sich Astor Piazzollas Lieblingspianist Pablo Ziegler, seine Kollegen Gonzalo Rubalcaba aus Cuba und Kenny Barron aus Philadelphia, außerdem die bereits legendären Klavierkünstler Cedar Walton – mit charmantem Late-Night-Konzert alter Schule – und Chick Corea – mit publikumswirksamem McFerrin-Duo – ein. Amerikas derzeit versiertester Jungsaxophonist Chris Potter stellte mit immenser künstlerischer Ausdruckskraft und beeindruckender Eigenständigkeit sein aktuelles Quartett vor. Der Brasilianer Gilberto Gil verneigte sich musikalisch vor seinem Idol Bob Marley und brachte die Muffathalle in Partystimmung. Immerhin drei renommierte Salsa Orchester sorgten darüber hinaus für südamerikanisches Flair. Einziger Wermutstropfen des Programms: Der 77-jährige Falsett-Sänger Jimmy Scott sagte das erste Münchenkonzert seiner Karriere kurzfristig ab, aus gesundheitlichen Gründen, ließ das Management vernehmen. Hinter den Kulissen allerdings wurde gemunkelt, dass er daheim in den USA ein lukrativeres Angebot bekam und es selbstverständlich annahm, eine durchaus gängige Praxis amerikanischer Künstler, mit ihren Vertragsverpflichtungen umzugehen. Wie dem auch sei: Im Ganzen betrachtet stand der Klaviersommer 2002 am Scheideweg zwischen Nostalgie und Perspektive. Organisatorisch gesehen wurden angesichts der kollabierenden Kulturszene neue Wege gegangen. Die Kooperationen der Veranstalter wiesen dabei in die richtige Richtung konkurrenzübergreifender Bündelung der Kräfte. Inhaltlich jedoch könnte sich noch einiges ändern. Wieder einmal waren kaum Europäer und keine deutschen Künstler im Programm. Wieder einmal gab es wenig kommerziell riskante, aber womöglich musikalisch überraschende Konzerte zu entdecken – Jimmy Scott wäre die Ausnahme gewesen. Ein bisschen mehr Mut zum Unkonventionellen wäre angebracht, was allerdings angesichts der immensen Honorare von Jazzmusikern und der trotz Gesetzesrevision noch immer schmerzhaften Ausländersteuer kaum zu finanzieren ist. Fazit: Es war schön, dass es den Klaviersommer gab. Aber er könnte noch mehr Profil und mehr Festivalambiente bieten. Weitere Festivalberichte in unserem Dossier, S. 21 bis 23!
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