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Neben Leverkusen ist Dortmund die einzige Stadt in Nordrhein-Westfalen, die mit einem großen Jazz-Festival aufwarten kann. Anknüpfend an die unvergessene Zeit der 70er-Jahre, als aus der Westfalenhalle noch live übertragen wurde, blühte 1989 im bescheideneren Rahmen der Dortmunder Jazz-Frühling auf. Aus ihm entwickelten sich 1997 die europhonics, die sich, der Name sagt es, mit europäischem Jazz beschäftigen. Unter Federführung des 1969 gegründeten Clubs „Domizil“
und unter Obhut der Stadt haben die europhonics sich inzwischen ein eigenes
Profil erarbeitet. Der künstlerische Leiter Waldo Riedel orientiert
sich nicht an vorherrschenden Tourneeplänen der Jazz-Reisenden, sondern
sinnt stets eigene Konzepte aus. Nachdem es vor zwei Jahren bereits einen
Länderschwerpunkt gegeben hatte, stand diesmal England an. Die Wahl
fiel leicht, denn im Rahmen der Kulturtage der Stadt war der Blick auf
die britische Insel gerichtet. Gleich im einleitenden Beitrag wurde dies deutlich. In seinem neuen Programm „L´ascenseur/The lift“ brachte der Pianist und Komponist Mike Westbrook eine musikalische Begegnung mit Kabarett und Experimentellem, Jazz und Chanson, Kammermusik und schwarzem Humor auf die Bühne des Hansa-Theaters. Engagiert trug Kate Westbrook die Texte, mal auf englisch, mal auf deutsch, vor, ehe sie ihre Stimme instrumental einsetzte, um sie mit den beiden begleitenden Saxophonisten Chris Biscoe und Heribert Leuchter zu vermischen. Gab sich dieses Quartett noch akademisch gespreizt, kam beim Mask Orchestra satte Spielfreude auf. Colin Towns dirigierte seine achtzehnköpfige Big Band, ein Gipfeltreffen der einflussreichsten britischen Jazzmusiker, zu frischen, neuartigen Klangerlebnissen. Messerscharfe Bläsersätze, mitreißende Grooves und genreübergreifende Kompositionen – einige Titel waren aus dem letzten Weill-Programm – sind unabdingbares Markenzeichen dieser fabelhaften Big Band. Eine Schlüsselrolle für die Zukunft des britischen Jazz spielt der Saxophonist Julian Arguelles. Seit seinen ersten eigenen Aufnahmen Ende der 80er-Jahre trägt er zur Entwicklung einer eigenständigen Ausdrucksweise bei. Sein Oktett beschreitet bei Einbeziehung traditionellen Tonmaterials neue Wege, ohne die Wurzeln und den Swing zu vergessen. Atemberaubende Themen, halsbrecherische Soli und treibende Rhythmen sind unabdingbare Bestandteile dieses Oktetts, das sich wie ein Mini-Big-Band gibt. Begeistert zeigte sich das Publikum beim abschließenden Auftritt der Sängerin Sandy Dillon. Mit einer kräftigen Melange aus Country und Blues, Pop, Punk und Jazz gingen die Dortmunder europhonics zu Ende. Sie machten bekannt mit einer Insel, der britischen Szene in ihrer ganzen Vielfalt. Reiner Kobe |
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