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Zum 20. Mal schon fand es statt, das Internationale Jazzfestival in der Halleschen Moritzburg, die in diesem Jahr endlich wieder ihren pittoresken Burghof geöffnet hat. Längst sind die drei Open-Air-Sommertage Sachsen-Anhalts wichtigstes Festival dieser Art. Noch nie aber standen die Zeichen so auf populär, sowohl hinsichtlich des Zuspruchs (Besucherrekord) wie auch des Programms. Es wurde eine Szene abgebildet, die sich zwischen Lounge und Eine-Welt-Laden mitten hinein etabliert hat in die Spaßgesellschaft, auch wenn manches hart am Beliebigen schrammt. Die Höhenflüge des argentinischen Akkordeonspielers Chango Spasiuk wurden arg gebremst von einer schwachen Begleitband. Groove Galaxi, sonst eine sichere Bank, wirkten indisponiert und fanden erst gegen Ende ihres Sets zur Form. Micatone um die Sängerin Lisa Bassenge präsentierten sich mit dezenten Samples, treibendem Kontrabass, flächiger Gitarre und punktierenden Drums als Band auf dem Sprung. Der Schweizer Harfner Andreas Vollenweider war, wiewohl umjubelt, nicht mehr als eine nostalgische Konzession.
Erster Höhepunkt waren DePhazz aus Heidelberg, die es im Vorjahr aus der Jazzecke direkt in die Charts schafften. Elegantes Ironieprojekt, fröhliches Retortenbaby und opulentes Entertainment: „Something Special“ eben, wie ihr Singlehit titelt. Die fabelhafte Sängerin Pat Appleton, eine preußische Brasilianerin, schwingt die Hüfte und klimpert mit den großen Augen. Es ist spät im Abendland und eine neue Heidelberger Romantik lässt die Leute staunen. Vielleicht ist die Rettung des Schlagers mit allen Mitteln wirklich nicht das Schlechteste. DePhazz fahren alle Mittel auf: Zwei Tänzerinnen, den singenden Entertainer Karl Frierson, der kein Klischee meidet, Videoprojektionen, Nebel, Spots und sehr unter anderem auch jazzige Soli von Posaunist Otto Engelhardt und Trompeter Joo Kraus. Das meiste dieser Musik aber ist ebenso vorprogrammiert wie der Erfolg solch frecher Schubladenplünderei. Swing und Bossa Nova, harte Beats und Schmalzgesang, Hawaii und Havanna, fröhliche Kitschbekenntnisse und gute Unterhaltung. Ganz am Ende des Festivals hat es doch noch ein orthodoxes Jazzkonzert gegeben, eins, dass man von Till Brönner in dieser Art nicht unbedingt erwarten durfte, nachdem er mit seiner aktuellen CD „Blue Eyed Soul“ ins Belanglose desertiert war. Tatsächlich präsentiert er in Halle mitten in der Tour zur CD eine komplett ausgetauschte, zum Quintett geschrumpfte Band. Respekt vor so viel Konsequenz, Respekt vor einem Zurück-zu-den-Vätern-Programm, in dem virtuos, sympathisch und locker vorgeführt wird, wie unversehrt die Wurzeln trotz allem Hype noch sind. Brönner spielt Davis, Hubbard und Kenny Burrell, bindet D’Angelos „Brown Sugar“ und Kermits Sesamstraßensong über die Problematik des Grün-seins in die Reihe der Klassiker, als gehörten sie dorthin. Er spielt leicht die Bälle der Improvisation zu seinen exzellenten Sidemen Johan Leijonhufvud (Gitarre) und Roberto di Gioia (Keyboards). Die Parole heißt Swing. Das macht Spaß zwischen Up-Tempo und Ballade und illustriert Brönners mit Blick aufs Festivalprogramm gesagte Warnung, dass „die Musiker aufpassen müssen“, wenn sie den Jazz vergessen. Brönner ist zurück. Lange zielt er mit Flügelhorn und Gesang mitten in die Seelen, ehe er zur schneidenderen Trompete greift. Standing Ovations für alle am Schluss. Ende gut, alles gut? „Ja und nein“, sagt Programmchef Steffen Wilde. „Bewusst hat sich das Festival noch nie so weit vom Jazz entfernt. Aber noch nie auch hat sich der Jazz so weit von sich selbst entfernt wie in diesen Tagen.“ Ulrich Steinmetzger
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