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Die Jazzer des früheren Konservatoriums Würzburg fühlen sich wohl in ihrem neuen Heim: Seit 1986 war die Jazzausbildung im Konservatorium ansässig, zum Wintersemester 2001/2002 wurde sie in die Musikhochschule Würzburg überführt. Nach dem ersten Semester unter neuer Ägide zieht der alte neue Jazz-Fachbereich eine positive Bilanz: Die gewohnten Freiheiten in der Lehre blieben, und eine rege Zusammenarbeit mit den klassischen Kollegen bahnt sich an. Das Konservatorium war der Stadt zu teuer geworden. Auslaufende Stellen wurden schon seit längerem nicht wieder neu besetzt. Dann setzten sich Stadt- und Landesherren zusammen. Ihre Vereinbarung: Die Jazzabteilung wird in die Hochschule eingegliedert, auch die verbliebenen Dozenten klassischer Musik wechselten zur Hochschule. Das alte Konservatoriums-Gebäude wird von der Stadt entkernt, neu ausgebaut und ausgestattet, um es auf Hochschulniveau zu bringen: In zwei bis drei Jahren sollen die Jazzer wieder ihr altes Gebäude mit dann 1.600 Quadratmetern Nutzfläche und neuem Konzertsaal beziehen. Bis dahin sind sie im städtischen Mozart-Gymnasium untergebracht. Den Umbau finanziert zunächst die Stadt, um das Gebäude dann an das Land Bayern zu verkaufen. Jazz-Fachbereichsleiter und Klavier-Dozent Chris Beier liebäugelt mit dem Einbau eines Produktionsstudios, doch dessen Verwirklichung hängt, ebenso wie die Zahl neu anzuschaffender Instrumente, von der zukünftigen Größe des Stadt- und Landessäckels ab. „Es wäre eine Schande gewesen, eine so gute Abteilung eingehen zu lassen.“ „Außerdem schließt sie eine wichtige Lücke im Lehrangebot“, freut sich Volker Schütz, Prorektor der Hochschule, über die neuen Kollegen, die „wunderbare neue Farben in die Hochschule bringen“. Schon vorher hatte man bei der Ausbildung zum Diplom-Musiklehrer fleißig kooperiert: „Rund 95 Prozent der Konservatoriums-Abschlüsse waren Hochschul-Zeugnisse. Insofern ändert sich für unseren Lehrbetrieb durch die Eingliederung auch kaum etwas“, erklärt Beier. Rund 60 Trompeter, Posaunisten, Saxophonisten, Flötisten, Sänger, Gitarristen, Pianisten, Bassisten und Drummer jazzen sich in Würzburg zum Pädagogischen und Künstlerischen Diplom, anschließend mitunter auch noch in die Meisterklasse. Zusätzlich kann man vier Semester lang Jazz-Komposition studieren. Mit Tine Schneider, bisher in Amsterdam tätig, stößt eine zusätzliche Klavier-Dozentin zum Lehrer-Stab. Die Studenten schätzen in Würzburg ein lebendiges Ensemble-Spektrum: „Die Dozenten haben verschiedene stilistische Schwerpunkte, und man kann in verschiedenen Combos viel davon lernen“, sagt die 25-jährige Klavierstudentin Christiane Berger. Deshalb erhofft sie sich die Anschaffung von zusätzlichen Instrumenten-Verstärkern. Die Zahl der Studenten soll bewusst überschaubar gehalten werden: „So kenne ich alle Studenten und kann als Fachbereichs-Leiter gleichzeitig auch Tutor eines jeden sein, um in Absprache mit den Dozenten zu überlegen, wie man den Einzelnen am besten fördert“, deutet Beier das gemeinsame Credo der Dozenten an. Starrer Lehrplan-Formalismus nämlich soll klein, Individualität jedoch groß geschrieben werden: „Wenn jemand zur Aufnahmeprüfung kommt, der fantastisch Saxophon spielt, auf dem Klavier aber ein ABC-Schütze ist, will ich den nicht wegschicken müssen, weil er eine möglicherweise nach vier Semestern vorgeschriebene Klavier-Zwischenprüfung nicht schaffen würde. Dann braucht er dafür eben länger. Vielleicht hört er dafür besonders gut und kann einen Gehörbildungskurs überspringen.“ „Modularisierung“, das neue Zauberwort innovativer Universitäts- und Hochschul-Konzepte, fasst Beier möglichst pragmatisch auf: „Lerne das, was du brauchst und belaste dich nicht mit etwas, das du schon kannst.“ Das Ziel: die „individuelle Studien-Biografie“ und ein eigenständiges Künstlerprofil. „Wir wollen der Vermainstreamung des Jazz entgegenwirken“, sagt Beier. „Bei unseren Abschlussprüfungen sollen 20 Saxophonisten nicht wie 20 Klone von Charlie Parker klingen. Wenn wir erkennen, dass sich bei jemandem ein Personalstil abzeichnet, dann fördern wir das, so gut wir nur können.“ Um ein eigenes, neues Profil bemüht sich auch die Würzburger
Hochschule als ganzes: Klassische Musiker und Jazzer sollen voneinander
lernen, indem sie auch in Veranstaltungen anderer Fachbereiche hineinhören
können. Um derartige Synergieeffekte durch Lehrpläne zu ermöglichen,
hat sich Mitte Februar eine Strukturkommission aus zwölf Dozenten
und – na ja, immerhin – einem Studentenvertreter gebildet.
Ende Juni will sie dem Senat „Vorschläge zur zukünftigen
Struktur und dem Stellenwert der Fächer“ (Schütz) vorlegen. Eike Brunhöber |
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