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Hart, ironisch und provozierend betitelt Cécile Verny ihr aktuelles Album. „European Songbook“ liest man dezent und akkurat auf dem Polaroid- Albumcover geschrieben, der ein oder andere könnte sich am Begriff „European Songbook“ ernsthaft verschlucken, so geradlinig ist uns das Pathos gegerbte „Great American Songbook“ eingebrannt worden. Just in diesem Moment kommt die afrikanische Französin Cécile Verny, noch dazu im Schwarzwald lebend, und stellt klar, dass eigentlich viele der uns bekannten Jazzstandards lediglich amerikanisiert wurden und nie aus anderen als europäischen Federn stammten.
Dabei ist Cécile Verny nun doch vorrangig durch vier Alben mit ihrem „Cécile Verny Quartet“ bekannt. Alben, auf denen sie nur bedingt Fremdmaterial spielte. Kein Hinderungsgrund für Cécile Verny, trotzdem ein Songbook anzugehen. „Die Idee hatte ich schon lange, ich wollte allerdings kein weiteres Cole Porter- Songbook machen“, lässt sie schelmisch verlauten. „Zudem bin ich Französin und man sagt, die wären verkopft, also habe ich gute zehn Jahre überlegt, wie ich das Songbook angehe“. Fündig wurde Cécile Verny bei einem von Frank Sinatras Duettalben, denn darauf befanden sich Stücke von europäischen Komponisten und so reifte Jahr für Jahr und Song für Song die Idee zu einem Album, das sich Stück um Stück erweiterte. „Aber“, bremst Cécile Verny ein, „als ich alle Songs zusammen hatte, war es so, dass ich weder das Geld, noch den Mut oder die Kontakte hatte dieses Album aufzunehmen. Auch so kam die lange Entstehungsgeschichte zustande“. Das dürfte aber kaum stören, denn erste Begegnungen mit Cécile Vernys Interpretationen von Charles Trenet (La Mer), Joe Zawinul (Mercy, Mercy, Mercy) oder Kurt Weill (Mac the Knife, Lost In The Stars) zaubern ein Lächeln in erfrorene Wintergesichter. Weil Cécile Verny mit lässiger und aufreizender Charmanz an die Kompositionen rangeht, so als wären es ihre hauseigenen Songs. Sie groovt und schmiegt sich an, lässt sich von ihrer Band (bestehend aus dem französischen Tenorsaxophonisten Sebastien Jarrousse, den Engländern Simon Finch (Trompete), Finn Peters (Altsaxophon) sowie den deutschen Mitgliedern des Cécile Verny Quartets: Pianist Andreas Erchinger, Bassist Bernd Heitzler und Schlagzeuger Torsten Krill) nach vorne treiben und stellt mit einem warmherzigen und einfühlsamen Gesang ihr großes „Plus“ angenehm in den Vordergrund. So kommt es zur Einheit von runderneuerten Jazzstandards, großartigen Arrangeuren (Carine Bonnefoy, Ralf Schmid, Michael Gibbs und Mike Abene) und einer Band, die mitsamt der Sängerin die Balance zwischen Tradition und Moderne finden und erstaunlich befreit klingen. Wobei Cécile Verny mehr Freiheit in ihren eigenen Kompositionen spürt. „Bei den eigenen Sachen gibt es eben keinen Anhaltspunkt oder keine Vergleichsmöglichkeiten. Bei „Mac the Knife“ sieht das eben anders aus, denn Ella war vorher da. Man muss dann einen Weg, der anders – nicht besser oder schlechter – ist finden. Deshalb empfinde ich bei den Standards mehr Druck“. Aber auch Mut bleibt gegenwärtig, denn von „Mac the Knife“ die Millionste Version zu veröffentlichen wirkt heute im Jazzpop-Zeitalter wirklich heldenhaft. Ist es denn Mut? „Zur Kunst gehört immer Mut“, stellt Cécile Verny pathosfrei fest und nie glaubte man diesen Worten mehr als beim „European Songbook“. Mitunter weil Cécile Verny jedem Song eine gehörige Portion Respekt entgegen bringt und aber auch nicht vergisst – bei aller ernsthaften Wertschätzung der Traditionalisten – den Staub der Jahrzehnte mit feiner teils nur angedeuteter Ironie zu entfernen. „Ich lache gerne“, bestätigt Cécile Verny die Verdachtsmomente, „und natürlich ist der Albumtitel an sich das größte Augenzwinkern, es soll aber nun kein ‚Krieg’ dadurch angezettelt werden. Für mich bedeutet das Album allerdings auch noch etwas ganz anderes. In meinen Augen ist es das bisher reifste Werk, das es von mir zu hören gibt. Mit all den beteiligten Musikern war es mein bisher größtes Projekt und dementsprechend hat sich auch Druck aufgebaut. Und trotzdem hatte ich bei den Aufnahmen eine gewisse Leichtigkeit, obwohl ich neben der Musik noch andere Felder managen musste. (Cécile Verny ist zweifache Mutter, Anm. d. Red.). Vielleicht ist es exakt dieses Gefühl, das mit dem Augenzwinkern transportiert wird, denn ich habe mir einen kleinen Traum verwirklicht und diese Entspanntheit lässt sich schon fühlen.“ Ein Album, das durchläuft und von Cécile Verny zu sein scheint. „Ich finde auch, dass man die vier Arrangeure erstmal nicht so auseinander halten kann“, stimmt sie zu. „Erst wenn man beginnt, die Kompositionen genauer zu betrachten, hört man die Unterschiede etwas deutlicher“. Aber dann wären wir wieder bei den Analysten und damit hat insbesondere das „European Songbook“ nichts zu tun. Europa wächst zusammen. Mehr musikalisch als geopolitisch, aber: „It’s a good Life“. Sven Ferchow |
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