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Es ist nicht neu, dass ein Klavierspieler zum Bedienen seines Instruments diverse Hilfsmittel von der Schuhbürste bis zum Topfdeckel verwendet und dazu ein wichtiges Gesicht macht. Neu ist es auch nicht, wenn es Saxophonist, Gitarrist und Schlagzeuger ihm gleich tun. Auch einen Sprecher, der kryptische Texte in die Performance rezitiert, hat man schon gesehen. Bemerkenswert aber ist es, wenn sich wie in diesem Falle so eine musikalisch-verbale Installation zu einem stimmigen Ganzen fügt, wenn sich die Aktionen der immerhin neun Akteure so ergänzen, dass Gruppenklang daraus wird und konzise Aussagen zwischen Amüsement und Tiefgang. So geschehen im Januar 2005 in der gut gefüllten naTo, wo unter der Leitung von Oliver Schwerdt das Projektensemble EUPHORIUM_freakestra zu seinem dritten Spektakel eingeladen hatte. Am erstaunlichsten war, wie diese junge Mannschaft innerhalb von zwei Jahren im weit beackerten Terrain zwischen freiem Jazz und Neuer Musik ihren Teamimprovisationen immer mehr Stringenz zu geben vermag. Natürlich: Wo im Leben die Sicherheiten schwinden, wächst der Stellenwert der Improvisation. Das ist in der Musik so wie im sonstigen Leben. Man muss es nur umsetzen können. Zu solchem Ende lädt sich die Leipziger Impro-Kommune renommierte Gäste ein. In diesem Falle Urs Leimgruber, den Schweizer Saxophonisten aus Paris, der in Jahrzehnten seine Töne konsequent verfremdend individualisiert hat, und den Schauspieler Boris Aljinovic, den man sonst zu gleicher Zeit ermittelnd neben Dominic Raacke am Tatort findet. Er rezitierte grandios einen Text Schwerdts, schuf Sprachinseln inmitten der Musik, die diese konterkarierten, kommentierten und zum Höhepunkt des Abends wurden. Punktuelle Theatralik im Dienste einer Sache, poetisch, witzig, unverbraucht. Von „tosigen Vorfällen“ in diversen Ämtern ging die kryptische Rede, von Milchmädchenrechnungen und „junger Kunst von heftiger Natur“. Die folgte ihrer Partitur, begann mit einem kaum hörbaren Sopranton und schob sich linear in die Höhe zu explosivem Durcheinander. Dicht und schön gesteuert war das von kleinen Solos und großen Akzenten des sehr bemerkenswerten Schlagzeugers Christian Lillinger. Ein Mann namens sinebag demonstrierte elektronisch, was Pulsmusik ist, Markus Sepperers Oboe rief näselnd nach der Schlange und die Dämpfer von Matthias Mainz’ Trompete wurden zu Sänften in vertrackten Swing. Ulrich Steinmetzger |
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