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Mein erster Eindruck: der Mann ist rund, ein rundes Gesicht, ein rundlicher Körper, ein rundes Lachen. Und irgendwie wirkt er in sich rund, mithin stimmig. James Moody, das Original, ist eine Mischung aus Künstler und Komödiant, Spaßmacher und Philosoph, ein Lebenskünstler allemal. Er erzählt Episoden aus seinem Leben, auch solche immer wieder gern, nach denen er schon Hunderte Mal gefragt wurde. Und wie in seinen Soli über bekannte Standards versieht er sie mit einer kleinen Neuigkeit oder einem überraschenden Extra.
Hin und wieder liest man, er habe als Tenorsaxophonist begonnen. In der Tat war es ein Alto, das er, damals sechzehnjährig, von seinem Onkel geschenkt bekam. Nachdem er Buddy Tate und Don Byas gehört hatte, entflammte seine Liebe schließlich für den sonoren Klang des Tenorsaxophons. Später kamen Flöte und Sopransaxophon. Und obwohl James Moody auf all diesen Instrumenten einen gänzlich eigenen, vokalisierten Ton ausgeprägt hat, scherzt er: „Eigentlich bin ich kein Flötist. Ich bin ein Saxophonist und ein flute-holder.“ Das mit dem Flöten-Halter stimmt natürlich nicht. Ohne jeden Zweifel erweist sich James Moody als ein Allround-Talent – Multiinstrumentalist, Entertainer und Erneuerer. Doch mit sich selbst geht er immer streng ins Gericht. Im Alltagsleben mit sich und der Welt sichtlich zufrieden, will er die Meßlatte für sein Spiel auf der Bühne auch heute immer noch höher ansetzen. Der am 26. März 1925 in Savannah, Georgia, Geborene und in Newark, New Jersey, Aufgewachsene kam mit einem Hörschaden zur Welt. Wie so oft bei genialen Musikern, hat er sich durch die Konzentration auf das, was er hören kann, zu einem Meister entwickelt. Als Kind, erzählt er, habe er zu den Geräuschen der Waschmaschine getanzt. Später entwickelte er seine Musik unter dem Eindruck des Spiels von Jimmy Dorsey und Lester Young. Bereits in den Jahren 1943 bis 1946, als er in der Air Force diente, assimilierte er die neue Sprache des Jazz: den Bebop. Jazz Journalisten haben James Moody als ein Chamäleon bezeichnet. Im Laufe seines Lebens spielte er Swing, Latin, Rhythm & Blues und Cool Jazz. Doch zu Hause ist er im Bop. Ein paar Monate vor seiner Entlassung von der Luftwaffe lernte er sein Idol, den Trompeter Dizzy Gillespie, kennen. In dessen Memoiren ist dieses Zitat von James Moody eingewoben: „Das war 1946. Wir hatten Platten von Dizzy und Charlie Parker, ,Hot House’ und all diese Sachen, wir saßen in unseren Baracken und versuchten, das Zeug nachzuspielen, verstehst du. Als ich dann aus der Armee entlassen wurde, versuchten wir wirklich bei Dizzy unterzukommen, wir spielten Walter Fuller vor. Dave Burns schaffte es, ich aber nicht.“ Der Komponist und Arrangeur Walter Gil Fuller erinnerte sich an das Vorspiel des Trompeters Dave Burns und des Saxophonisten James Moody: „Dave brachte ihn mit und sagte zu mir: ‚Warum gibst du nicht auch Moody eine Chance?’ ‚Aber selbstverständlich’, sagte ich. ‚Wenn er mir zeigt, dass er spielen kann, hat er den Job.’ Moody setzte sich hin, stimmte sein Instrument, und dann begann er zu spielen. Er sagte ‚beeeeeep’, wie ein Vogel. Dann sagte ich zu ihm: ‚Das ist zu wenig, das können wir nicht brauchen, verstehst du. Wenn du so spielst, weiß kein Mensch, dass du überhaupt da bist.’“ Einige Wochen später bekam James Moody überraschend ein Telegramm von Dizzy: „Du fängst heute Abend bei uns an.“ Von da an beginnt die Geschichte zweier musikalisch unzertrennlicher Seelen. Von 1946 bis 1948 spielte James Moody in Big Bands und Combos und auch in späteren Jahren immer wieder in Bands von Dizzy Gillespie. Beide ähnelten sich, was die seltene Kombination von Innovationsdrang und Unterhaltungsqualitäten anbelangt. Wie Charlie Parker in den vierziger Jahren wurde James Moody als Mitglied des Quintetts von Dizzy in den sechziger Jahren zu einem der wichtigsten Partner des Trompeters. Und auch in späteren, bis in die neunziger Jahre hinein tourte er mehrfach mit diversen Reunion- und All-Star Bands sowie dem United Nations Orchestra von Dizzy Gillespie. Dieser stellte seinem Freund und Kollegen eines der schönsten musikalischen Zeugnisse aus. Seit Charlie Parker, so Dizzy Gillespie, habe ihn kein Musiker stärker beeinflusst als der unvergleichliche James Moody. „Playing with James Moody“, so Dizzy wörtlich, „is like playing with a continuation with myself.“ Das besondere am Spiel von James Moody manifestierte sich bereits Ende der vierziger Jahre. 1949 kam er nach Europa, ursprünglich nur, um einen Onkel zu besuchen. Aus einer Reise, die als Stippvisite geplant war, wurde schließlich ein dreijähriger Aufenthalt. James Moody spielte in Paris mit Musikern wie Miles Davis, Tadd Dameron und Max Roach. Und er bekam eine Einladung zu Platten-Aufnahmen nach Stockholm. Dort traf er im Studio mit einem der damals besten europäischen Jazzmusiker, mit dem Baritonsaxophonisten Lars Gullin zusammen, der neben seinem Hauptinstrument auch ein Altsaxophon mit ins Studio brachte. James Moody wollte dieses einmal ausprobieren, schließlich hatte er seine Laufbahn ja mit dem Altsaxophon begonnen. Bei besagter Studio-Session improvisierte Moody auf dem Alto über die Harmonien des Standards von Jimmy McHugh’s „I’m In The Mood For Love“. Mit diesen hingetupften Tönen hat er Jazzgeschichte mitgeschrieben. Was er da spielte, wurde später als eigene Komposition anerkannt, als „mustergültige Improvisation“ apostrophiert und avancierte als Single-Auskoppelung zu einem Hit in den USA. James Moody kehrte nach Amerika zurück. Und dort wollte man ihn so hören wie mit seiner Platte, die sich in den Juke-Box an der nächsten Ecke drehte, mit eben jenem Klang auf dem Altsaxophon. Doch die Geschichte geht noch weiter. Der Sänger Eddie Jefferson schuf Anfang der fünfziger Jahre einen Text zu diesem Titel, der dann in der Interpretation von Eddie Jefferson die Popularität der Instrumentalversion noch steigern sollte: „Moody’s Mood For Love“. Arthea Franklin hat den Song in ihr Repertoire aufgenommen; auch James Moody selbst hat ihn vokal interpretiert. „Schließlich“, sagt er augenzwinkernd, „konnte ich mir ja nicht immer einen Sänger für die Band leisten; da habe ich selbst das Singen entdeckt.“ Moodys einfallsreiche und oft humorige Scat-Vokalisen und Text-Inventionen zählen längst zu den Ingredienzien seiner Bühnen-Shows wie einst entsprechende Einlagen von Dizzy Gillespie. „Wenn man die Musik, die man mag, spielen kann,“ so James Moody im Gespräch mit mir, „und die Leute überdies noch ein bisschen unterhält, was ist dagegen einzuwenden?“ Während der fünfziger Jahre tourte James Moody mit eigenen Bands und mit Sängerinnen und Sängern wie Dinah Washington und Eddie Jefferson durch die USA. 1958 gab es eine Pechsträne: Bei einem Brand im „Blue Note Club“ von Philadelphia fielen Instrumente, Bühnenkleidung und Arrangements dem Feuer zum Opfer. James Moody geriet in die Krallen des Alkohols und unterzog sich einer Entziehungskur im Overbrook Hospital in Cedar Groove, New Jersey. Als er nach sechsmonatigem Aufenthalt entlassen wurde, nahm er den Zug nach Chicago und dort das Album mit dem Titel „Last Train From Overbrook“ auf. Von da an ging es wieder voran. James Moody spielte in der Tradition der „Battles“ mit Musikern wie Gene Ammons und Sonny Stitt, auch mit Dexter Gordon. „Wenn du mich fragst, ob da Rivalität im Spiel war,“ kommentiert er solches saxophonistische Kräftemessen der Giganten, “kann ich nur sagen: Es war das pure Vergnügen.“ In den siebziger Jahren verschwand James Moody für längere Zeit von der Bildoberfläche des Jazz. Er ging nach Las Vegas und spielte dort mit einem Show-Orchester. „Als ich in Las Vegas arbeitete“, gesteht er ein, „habe ich den Jazz wirklich vermisst. Aber meine Tochter war damals sechs Jahre alt, und ich wollte sie in geordneten Verhältnissen aufwachsen lassen, nicht ständig umherziehen müssen - wenigstens bis zu ihrem zwölften Lebensjahr; das war das Jahr meiner Scheidung.“ Anfang der achtziger Jahre gelang James Moody ein Comeback in der Jazzszene von New York. Zwar wurde ihm nicht jene spektakuläre Aufmerksamkeit zuteil wie Dexter Gordon und Johnny Griffin, den aus Europa heimkehrenden Bebop-Ikonen, doch er ist seither kontinuierlich präsent: mit Konzerten, Tourneen und Platteneinspielungen. James Moodys 70. Geburtstag wurde musikalisch gefeiert, im New Yorker „Blue Note“, gemeinsam mit einer Schar illustrer Gäste. Zum 75. zog er mit dem „Lincoln Center Jazz Orchestra“ in die New Yorker Avery Fisher Hall. Seinen 80. Geburtstag feiert der Jubilar wiederum im New Yorker Kulttempel „Blue Note“. Und im Mai geht es dann auf „Birthday Cruise“ von New York zu den Bermudas und zurück. Eines seiner Alben nannte James Moody programmatisch „Mooving Forward“, ein anderes „Young At Heart“. Die CD „Honey“ hat er seiner Frau Linda gewidmet. Prächtig schauen sie aus, Linda und James Moody, auf dem Foto, das er mir zeigt. „Was will ich noch mehr“, sagt der Jubilar, „ich habe eine wunderbare Frau und eine glückliche Familie. Das einzige, was ich noch tun muss, ist Saxophon üben.“ Bert Noglik
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