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Sein mitreißendes Klavierspiel ist daran „schuld“, dass Pete Jolly nicht als einer der bedeutendsten Akkordeonisten des Jazz in die Geschichte eingegangen ist. Als solcher machte der am 5. Juni 1932 in New Haven Connecticut geborene Peter A. Ceragioli seine ersten Schritte. Als „The Boy Wonder Accordionist“ trat er schon 1940 im Radio auf. Der Sprecher hatte Schwierigkeiten mit seinem italienischen Namen Ceragioli und nannte ihn kurzerherhand Pete Jolly. Unserem jungen Musikanten gefiel das so gut, dass er sich dies als Künstlernamen zulegte.
„Jolly“ heißt auf Englisch etwa „fröhlich, lustig, vergnügt“ und diese Adjektive treffen auch auf die Musik des Italo-Amerikaners zu, frischer, frohgemuter swingender West Coast Jazz eines Pianisten, der im Bebop eines Bud Powell verwurzelt war, dessen dramatische, ja tragische Züge ihm indes wesensfremd waren. Der Apfel fiel nicht weit vom Stamm. Der Vater war selbst ein Meister und Lehrer der „Quetsche“. So wurde der kleine Pietro im zarten Alter von drei Jahren im Akkordeonspiel unterwiesen. Mit neun setzte er die gewonnenen Erfahrungen auch am Klavier um. Von 1939 bis 1945 fuhr er jeden Tag mit seinem Vater zwei Stunden nach New York um beim bekannten Akkordeonisten Joe Biviano zu studieren. Danach hörten sie sich live die großen Swing-Bigbands der Ära - Goodman, Dorsey, Shaw - an. Als Jollys Familie nach Phoenix zog, leitete er als Teanager ein Haustrio im Club „Jazz Mill“, wo er mitunter Größen wie Benny Carter begleitete. Mit 20 Jahren machte er schon als Jazzmusiker von sich reden, und zwar in Los Angeles, das in jenen Tagen die zweitgrößte Jazzmetropole nach New York war. Anlass war ein vom unlängst verstorbenen Barney Kessel vermittelter Job. Daraufhin war er so gut wie nie arbeitslos. Mit 21 nahm er schon zwei erste Alben auf, und dies beim Major Label RCA. Sie zeigen ihn als bereits erstaunlich reifen Pianisten und – auf „Jolly Jumps In“ als hörenswerten Akkordeonisten an der Seite von Größen wie Shelly Manne, Jimmy Giuffre und Bill Perkins. Vor allem seine Zusammenarbeit mit Shorty Rogers in den Jahren 1954 bis 1956, die später oft erneuert wurde, verankerte Jolly im Bewusstsein der Jazzhörer als einen der besten Pianisten des West Coast Jazz. Zu dieser Gruppe gehörten auch Hampton Hawes, Claude Williamson, Russ Freeman und André Previn. Typische West Coast Jazz – Pianisten sind solche, so etwa lautet ein Bonmot, deren Musik nicht nach West Coast Jazz klingt. Da machte Pete Jolly keine Ausnahme. Bisweilen ließ er etwa mit einem perkussiven, etwas an Horace Silver und Eddie Costa gemahnenden Anschlag aufhorchen, der wieder einmal die Gleichsetzung von Westküstenjazz und cooler, gar unterkühlter Musik spielend wiederlegte. Da Jolly ein untrügliches Rhythmusgefühl hatte, gehörte er oft zu den besten Rhythmusgruppen der Westküste, etwa an der Seite von Shelly Manne. Die Jazz-Szene der Westküste florierte in den 50er-Jahren nicht zuletzt, weil die Musiker in den Film-Studios Beschäftigung fanden. So wirkte Jolly auch an vielen Hollywood-Filmen musikalisch mit, darunter „The Man with the Golden Arm“, „Wild Life“ und „I Want To Live“. Aus Jazzwarte schade ist, dass er sich in den folgenden Jahrzehnten immer mehr Film und Fernsehen verschrieb. So ist er auf den Soundtracks von Serien wie „Dallas“ und „M*A*S*H“ zu hören. Allerdings zwang ihn der Siegeszug der Synthesizer in den 80er-Jahren verstärkt in die Live-Clubs. 1963 erhielt Jolly für seinen Song „Little Bird“ einen Grammy. „Es war so populär, das es ein Standard hätte werden können, wäre ich nicht der einzige gewesen, der Interesse hatte, es zu spielen“, witzelte Jolly darüber. Als Bandleader wurde Jolly kaum bekannt. Dabei leitete er wohl eines der langlebigsten Trios der Jazzgeschichte. Das 1964 gegründete Pete Jolly Trio mit dem Bassisten Chuck Berghofer und dem Drummer Nick Martinis musizierte 40 Jahre lang (fast ohne Besetzungswechsel) im südlichen Kalifornien, bis der Krebskranke im vergangenen August ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. „Ein Trio ist beweglicher, transparenter, hat ein offeneres Feeling,” erklärte Jolly 1993. „Piano, Bass und Schlagzeug – das ist meine wahre Liebe.“ Jolly hat im Laufe seiner Karriere nicht nur das Glück mit einigen der Besten des Jazz musiziert und Platten aufgenommen zu haben, Musikern wie Art Pepper, Gerry Mulligan, Anita O’Day oder Chet Baker, er hatte Freude an seinem Beruf und vermittelte mit seiner Musik genau dieses vergnügte Lebensgefühl. Wie der am 6. November in Pasadena verstorbene Pianist der „Los Angeles Times“ einmal anvertraute: „Ich hatte das Glück viele Dinge zu tun, die ich machen wollte. Du gehst hinaus, spielst was Du willst und die Leute genießen es. Für mich war es ein schönes Leben.“ Marcus A. Woelfle
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