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Also, so geht das nicht. Als Jazzkritiker musst du dich schon an die Spielregeln halten. Wenn die Plattenfirma das lang erwartete Comeback ihres Künstlers feiert, kannst du nicht schreiben: Er war eigentlich nie fort. Und wenn der Pressetexter die Uptempos für die Highlights hält, sag bitte nicht: Aber noch besser sind die Balladen. Mit solchen eigenbrötlerischen Ansichten stiftest du nur Verwirrung – beim Label, beim Künstler, beim Käufer und letztlich auch bei der Redaktion, für die du arbeitest. Im Grunde wollen dir ja alle nur helfen: Sie wissen, dass du deinen Job sehr ernst nimmst. Deshalb geben dir Pressetexte verlässliche Formulierhilfen. Da steht ja nicht zum Spaß drin, dass der Groove „hitzig brodelt“. Das ist eine Steilvorlage für dich. Nun musst du nur noch in die Spitze gehen und vollenden: „Die Grooves sind von brodelnder Hitze.“ Perfekt! Möglich wäre auch: „Die Grooves sind brodelnd-heiß“, „Es sind heiße, kochende Rhythmen“ oder „Die Musik brodelt so heiß, wie sie groovt.“ So viel Kreativität darf sein, aber bitte nicht schrullig werden! Schließlich sollst du ja zeigen, dass du in der Lage bist zu hören, was es zu hören gibt. Lass also den ganzen Quatsch bleiben von den „Phrasen, die über die Taktstriche hinwegatmen“, oder den „leitmotivischen Staccato-Triolen“. Wenn du so was Schräges hinschreibst, fühlen sich Produzent und Musiker denunziert und beschweren sich am Ende noch. Dein Redakteur wird dann süffisant fragen, ob du auch die richtige CD im Player hattest, und dich im Wiederholungsfall aus dem Rezensenten-Pool streichen. Am besten, du schreibst überhaupt nie über Künstler, über die du dir schon mal Gedanken gemacht hast. Noch besser: Du liest nur den Pressetext und die Liner notes und hörst dir die CD gar nicht mehr an. Dann greifst du dir drei Sätze heraus und veränderst ein wenig die Wortstellung. Das war’s schon. Kollegiale Grüße, Rainer Wein
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