Fast kein Jazzer kommt auf seinen CDs und Konzerten mehr ohne Gesangseinlagen
aus. Kenner sprechen von einem regelrechten Boom des Vokaljazz. Silke
Hamkens sprach mit Dianne Reeves und Bobby McFerrin, zwei Größen
des Fachs, über ihre Ansichten zu dem Phänomen.
Jazzzeitung: Frau Reeves, Herr McFerrin, Sie machen so viele unterschiedliche
Dinge. Was bedeutet für Sie das Singen?
Dianne Reeves: Nun – Singen ist in erster Linie Freiheit
für mich. Freiheit des Geistes, Freiheit in der Kommunikation. Singen
geht sofort ins Herz.
Bobby McFerrin: Ich mag das alles. Ich bin ein Musiker, mein Instrument
ist die Stimme und ich liebe es, Dinge mit anderen zu teilen. Gesang bedeutet
mir sehr viel. Es ist mein Leben. Ich bin aber nicht nur ein Jazz-Sänger.
Ich singe verschiedene Sachen, wie zum Beispiel Bach. Ja, Liebelingskomponisten
von mir sind Bach und Beethoven.
Jazzzeitung: Warum haben Sie angefangen zu singen?
Reeves (lacht): So genau weiß ich das gar nicht. Musik war
immer wichtig in unserer Familie. Tatsächlich habe ich auch zuerst
mit dem Klavierspielen angefangen und immer so nebenbei gesungen. Als
ich aber elf oder zwölf Jahre alt war, begann ich bewusst zu singen
und habe festgestellt, dass mich das Singen einfach am meisten fasziniert.
McFerrin: Gute Frage. Warum macht man etwas. Natürlich meistens,
weil es Spaß bringt. So war das auch bei mir.
Jazzzeitung: Was ist der Grund für diesen Boom, den gerade
der Vokaljazz zurzeit erlebt?
Reeves: Ich kann es nicht sagen. ich werde wohl in zehn Jahren
eher in der Lage sein, diese Frage zu beantworten als jetzt. Im Moment
haben wir viele gute Sänger. die Leute bleiben, Trends ändern
sich laufend. Für mich kommen menschliche Stimmen auf sehr unterschiedlichen
Wegen daher. Malerei oder das Spielen von Instrumenten sind für mich
genauso menschliche Stimmen wie Sprache oder Gesang.
McFerrin: Wirklich. Die Frage ist gut. Ich weiß nicht, aber
ich kann sie nicht beantworten. Ich verbreite keine Philosophie über
Fragen, die ich nicht verstehe.
Jazzzeitung: Gibt es einen Trend im Jazzgesang? Wo steht er in
der Zukunft?
Reeves: Vokaljazz drückt sich in ganz unterschiedlichen Weisen
aus. Er wird sicherlich noch da sein, aber in welcher Weise das sein wird,
weiß ich nicht.
Jazzzeitung: Welchen Rat geben Sie jungen Künstlern, Sängern
wie Instrumentalisten?
Reeves: Wenn sie Jazz singen wollen, sollten sie so viel Jazz hören,
wie es nur geht und sich mit der Geschichte der Musik auseinander setzen.
Sie müssen ihrem Herzen folgen, Erfahrungen sammeln und die Geschichte
der Musik verstehen.
McFerrin: Junge Menschen sollten nicht andere kopieren. Sie sollten
bei sich bleiben. Wenn sie Ausdruck und einzigartig bleiben wollen. Arbeitet
hart an euch. Imitation ist Selbstmord.
Interview: Silke Hamkens
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