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Jazzzeitung

2006/09  ::: seite 17

rezensionen

 

Inhalt 2006/09

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / News / break
no chaser:
Wein und Musik


TITEL


Wer lächelt, liegt richtig
Der Schlagzeuger Harald Rüschenbaum im Portrait


DOSSIER
- Geschichte

Die Weintraubs Syncopators
Zum 25. Todestag von Stefan Weintraub am 10. September 2006


BERICHTE
/ PREVIEW

Jazz an der Donau || 50 Jahre Menuhin Festival in Gstaad || Jamie Cullum im Audi Forum in Ingolstadt || Das Jazzbaltica Festival 2006 || Fazit des 25. Münchner Klaviersommers || Anne Lieberwirth Quartett gastierte im Berliner A-Trane || Das 16. Rudolstädter Tanz- und Folkfest || Herbie Hancock im Ulmer Zelt
Preview: Veranstaltungshinweise


 PORTRAIT / INTERVIEW

Der Schweizer Pianist Nik Bärtsch || Pianist Stefano Bollani || John Coltrane „Live At Birdland“

 JAZZ HEUTE

Mehr als Ostalgie: Comeback für Peitz
Jazzwerkstatt Berlin-Brandenburg lässt DDR-Jazzfestival aufleben


 PLAY BACK / MEDIEN


James Last
und Mackie Messer
Re-Issues für Sammler

Oliver Nelson bei Impulse, Klaus Doldinger bei Philips
CD.
CD-Rezensionen 2006/09
CD. Scheffners Liste
Bücher: Wuppertaler Jazzgeschichte in Wort, Bild und Ton
Bücher. Neue Jazzbücher aus Deutschland, Tschechien und den USA
Noten. Jazz nach Noten für Gitarre, Klavier und Klarinette
Instrumente. News


 EDUCATION

Ausbildung. Ausbildungsstätten in Deutschland - Fortbildungen, Kurse (pdf) (62 kb)
Abgehört 43. Teil III Dave Hollands Solo über „Iowa City“
Die FIFA und der Jazz
Cologne Jazz Night im WM-Kulturprogramm


SERVICE


Critics Choice

Service-Pack 2006/09 als pdf-Datei (Kalender, Clubadressen, Jazz in Radio & TV (150kb))

Literaturliste fürs Jazzgespräch

Neue Jazzbücher aus Deutschland, Tschechien und den USA

Giuseppe Pino: Black and Blues – mit vier CDs
edel CLASSICS GmbH, Hamburg, 120 Seiten

93 großformatige, zum Teil sehr eindrucksvolle Bilder bedeutender Bluessänger (Clifton Chenier passt da allerdings nicht recht dazu) des italienischen Fotografen Giuseppe Pino. Sie veranschaulichen – aus verschiedenen Blickwinkeln, teils farbig, teils schwarz-weiß, mal scharf, mal verwischt – die ganze Bandbreite der Bluesmusik sehr gut. Ebenso die 40 Musiktitel, unter anderem von Big Joe Turner, Memphis Slim, Jimmy Witherspoon, Willie Dixon, Charles Brown, Etta James, Muddy Waters …, aufgenommen zwischen 1949 und 1986, wenn man den diskografischen Angaben glauben darf (bei einigen Titeln heißt es tatsächlich nur ,,3. Dezember“!).
Leider fehlt auch ein einführender Text mit Hinweisen, wo die Bilder aufgenommen wurden. Übrigens enthält jede der vier CDs nur zwischen 36 und 53 Minuten Musik – was für eine Verschwendung: drei CDs hätten genügt!

Peter J. Levinson: Tommy Dorsey – Livin‘ in a Great Big Way, Da Capo Press, Cambridge (USA), 354 Seiten

Wenn von den großen Big Bands der 30er- und 40er-Jahre die Rede ist, wird der Name Tommy Dorsey oft vergessen. Aber er gehört dazu, aus verschiedenen Gründen. Tommy Dorsey war ein hervorragender Posaunist (wenn auch kein großer Jazzer), ein Bandleader, der für Musikalität und präzise Satzarbeit stand (wenn auch ein Hitzkopf, der immer wieder mit dem einen oder anderen seiner Musiker aneinandergeriet) und einer, der ein gutes Gespür für Talente hatte: Sy Oliver und Bill Finegan (als Arrangeure), Frank Sinatra, Buddy Rich und Buddy DeFranco seien hier stellvertretend für viele andere genannt. Mit seinem um ein Jahr älteren Bruder Jimmy, mit dem Tom Dorsey von 1928 bis 1935 das Dorsey Brothers Orchestra leitete (so sah es jedenfalls nach außen hin aus), stritt er sich besonders oft und heftig; dabei mochten sie sich eigentlich sehr. Die Trennung 1935 erfolgte mitten während eines Auftritts: Tommy, der die Band dirigierte, hatte ein Tempo nach Meinung Jimmys zu schnell vorgegeben, und als dieser das monierte, verließ Tommy spontan die Bühne und kehrte nicht mehr zurück. Von da an gab es bis 1953 zwei Dorsey-Orchester. Danach trat Jimmy regelmäßig als Gast des Tommy Dorsey Orchesters auf, leider nur noch einige Jahre (Tommy starb 1956 mit 51 Jahren, Jimmy ein Jahr später).

Der Autor schreibt mit spürbarem Drive: spannend, hochinformativ, kein Wort zu viel – zusammengefasst exzellent. Er sprach mit zahlreichen früheren Musikern und erzählt viele Insiderstories, die ein farbiges Bild der damaligen Musikszene vermitteln. Schade, dass es keine Diskografie gibt. Und sehr schade, dass Peter Levinson nicht auf die Idee kam, eine Biografie beider Brüder zu schreiben. Immerhin gehörte auch Jimmys Big Band zu den bedeutenden des Swing. Er selbst war ein exzellenter Klarinettist und einer der ersten großen Altsaxophonisten des Jazz, den sogar Charlie Parker als eines seiner Vorbilder bezeichnet hat.

Frank Büchmann-Møller: Someone to watch over me – the life and music of Ben Webster University of Michigan Press, Ann Arbor (USA), 369 Seiten

Wenn von den größten Swing-Tenoristen die Rede ist, werden immer zuerst Coleman Hawkins und Lester Young genannt. Aber Ben Webster hatte ihnen, ja eigentlich überhaupt allen Tenorsaxophonisten etwas voraus. Keiner konnte so mit dem Klang seines Instruments arbeiten, vom tief gehauchten zarten Subtone bis zum rauen Schrei in der Mittellage, der nach oben hin noch an Schärfe zunehmen, aber auch mit einem Mal an Ruhe gewinnen konnte. Sein Spiel war ein Spiegel seines Wesens: Hochsensibel, von liebevoll bis aggressiv (wenn er sich ungerecht behandelt fühlte), formte er seine Musik. Balladen waren seine besondere Stärke.

Geboren (1909) und aufgewachsen in Kansas City, spielte er zunächst Klavier. 1929, da war er schon 20 Jahre alt, begann er mit dem Altsaxophon (Lester Youngs Vater gab ihm Unterricht) und wechselte ein Jahr später zum Tenor. Über verschiedene Bands (u.a. Benny Moten, Andy Kirk, Fletcher Henderson, Cab Calloway) kam er schließlich 1940 zu Duke Ellington, bei dem er vorher schon mehrmals an Aufnahmen mitgewirkt hatte. Die Zeit bis 1943 in der damals bedeutendsten Saxophon-Section des Jazz war für die Entwicklung seines Spiels entscheidend. Er wurde zu einem der großen Individualisten des Jazz. Meist schon nach wenigen Tönen eines Solos an seinem unvergleichlichen Sound zu erkennen. 1964 ging er nach Europa, lebte bis 1966 in Kopenhagen, dann in Amsterdam und ging 1969 nach Kopenhagen zurück. Während einer Tournee starb er 1973 in Amsterdam. Frank Büchmann-Møller, Leiter des Jazzarchivs der Carl Nie1sen Musikakademie in Odense/Dänemark und Autor der besten Biografie über Lester Young, hat auch hier vorbildliche Arbeit geleistet Nur schade, dass er auf Notenbeispiele verzichtete. Ob wir hier, wie seinerzeit bei Lester Young, noch auf einen zweiten Band mit Transkriptionen hoffen dürfen?
Joe Viera

Frank Getzuhn, Wandeljahre öffentlicher Lerngeschichte zum Jazz in Deutschland von 1950 bis 1960, Wissenschaftlicher Verlag Berlin, Berlin 2006, 336 Seiten, 38 Euro (ISBN 3-86573-162-7)

Den Jazz von der pädagogischen Warte aus betrachtet hat bislang kaum jemand intensiver als Frank Getzuhn. Der Berliner Musiker und Hochschullehrer konzentriert sich in seiner vorbildlichen Darstellung auf die fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Jenes Jahrzehnts, in dem der deutsche Jazz nach dem nationalsozialistischen Aderlass langsam zu sich selber fand. Aber auch jenes Jahrzehnts natürlich, in dem die öffentliche Kommunikation über Jazz begann („initiale Phase“) und der Jazz verstanden werden wollte, „tiefgehend und grundsätzlich“. Dies sieht der Autor als „Leitgedanke für das Jazzgespräch“, dem damals in vielerlei Texten gehuldigt wurde. Es wurde gestritten, erklärt, argumentiert und, glaubt man Getzuhn, eine Menge gelernt. Bis zum Ende des Jahrzehnts hatte Berendts Jazzbuch, der bis heute fortgeschriebene Klassiker, bereits eine Auflage von 100.000 erreicht.

Getzuhn geht es nicht um Neubewertung der Texte, sondern um die Art und Weise, wie sie Informationen vermitteln. Für ihn ist Verständigung über Jazz „nicht nur Geschichte von Informationen, sondern Lerngeschichte“. Der Leser soll lernen, um eine „Erweiterung bestehender Perspektive“ zu erlangen und um „pädagogisches Denken in der Gegenwart (zu) schärfen“. Zum Jazzgespräch gehörte, heißt es auf Seite 13, „ein ganz eigenes pädagogisches Klima. Es entstand durch den Wunsch von Interessierten, Jazzmusik begreifen zu wollen und erworbene Kenntnisse anderen weiterzugeben – durch alle pädagogischen Instanzen. Von der Vermittlung grundlegender Begriffe über die Änderung bestehender Meinungen zum Jazz, bis zur Einbindung des Jazz in ein antirassistisches Weltbild – bis hin zu seiner Anerkennung als Kulturgut überhaupt“. Einen weiteren Eckpunkt seiner Untersuchung nennt Getzuhn einleitend: „Pädagogische Kategorien aus Jazztexten der fünfziger Jahre zu gewinnen, die Kategorien zu ordnen und wiederum an Publiziertem zu zeigen. Ich habe versucht, Kennlinien nachzuzeichnen, die die pädagogischen Färbungen der 50-er illustrieren – und das Jahrzehnt pädagogisch griffiger machen sollen.“ So spürt der Autor der „pädagogischen Atmosphäre“ jener Jahre nach, leidenschaftlich und insistierend. Penibel seziert er die (abgedruckten) Texte bekannter Autoren – der Rezensent vermisste lediglich die Adorno-Berendt-Debatte aus dem „Merkur“ – , geht Artikel für Artikel durch, fragt stets nach den „Lernangeboten“. Denn die Anerkennung des Jazz konnte nur über Lernprozesse, ausgelöst durch Informationen, Aufklärung und Erkenntnisse, erfolgen. Um der Texte nachvollziehbar Herr zu werden, werden sie vom Autor in eine eher verwirrende als erhellende Systematik gebracht, die das Lesevergnügen mitunter hemmt. Allzu penetrant wird manchmal der pädagogische Zeigefinger erhoben, was gar nicht nötig wäre, denn die Texte sprechen für sich selbst. Allzu leicht gehen dabei die Inhalte verloren, wie zum Beispiel die Auseinandersetzung um Authentizität, einer zentralen Kategorie des Jazzgesprächs in den fünfziger Jahren. Ebenfalls begann die Stildebatte, so heterogen sich auch jene Jahre gaben. „Sie luden ständig zum Disput über die Gestalt des Jazz ein, ebenso zum Selbstverständnis einer Szene.“ Bei aller pädagogischen Besessenheit gelingt es Getzuhn, die zeittypischen Haltungen herauszufiltern. Im Lauf des Jahrzehnts wurde der Disput profunder, intensiver, präziser, wie Getzuhn eindrücklich nachweist. Und: Eine solch lebendige Debatte über Jazz wie in den fünfziger Jahren hat es in der Bundesrepublik nie mehr gegeben. Schon deswegen sollte das Buch gelesen werden.

Reiner Kobe

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