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Zu „Deux Concerts Exclusif“ hatte Yehudi Menuhin im Sommer
1947 seine berühmten Freunde Benjamin Britten, Peter Pears und Maurice
Gendron in die Dorfkirche von Saanen eingeladen. Die beiden Konzerte waren
der Nukleus des Menuhin Festivals im Schweizer
Zu den zahlreichen Freunden des Geigers zählten jedoch nicht nur Klassik-Stars, sondern auch Musiker wie Stephane Grappelli oder Ravi Shankar. Bevor der Begriff Weltmusik zur Mode wurde, organisierte Menuhin in Paris oder Brüssel bereits Konzerte, in denen Bartóks Violinduos ganz selbstverständlich neben der Musik Afrikas und authentische Barockklänge neben südamerikanischer Tanzmusik standen. Improvisation in der Musik war für Menuhin nicht nur Abwechslung in der Konzertroutine, sondern ein wichtiges Ingrediens jeder Aufführung. Unter seinen Schülern liebte er die besonders, die in der Lage waren, über den Tellerrand ihrer akademischen Ausbildung hinauszusehen. Zum 50-Jahr-Jubiläum des Menuhin Festivals erwies der künstlerische Leiter, Christoph N. Müller, dieser Seite von Menuhins Künstlertum die Referenz durch eine besondere Konzertreihe „Tout le monde du violon“. In sechs Konzerten trafen so unterschiedliche Geiger wie Vladimir Repin, Gilles Apap, Volker Biesenbender, Titi Winterstein , Didier Lockwood und Sintimusiker aus Bulgarien und Rumänien auf das an klassische Klänge gewöhnte Publikum in Gstaad – und gewannen dessen Herz für Jazz und fürs improvisierende Spiel mit dem klassischen Repertoire. Gemeinsam mit dem quirligen Pianisten Daniel Kramer zeigte Didier Lockwood, dass er nach wie vor der Primas unter den modernen Jazzgeigern ist. Standards wie „Autumn Leaves“, „In A Sentimental Mood“, „My Prince“ oder „St. Thomas“ hauchte Lockwood mit dem rauen Sound seiner elektrisch verstärkten Geige neues Leben ein. Für Django Reinhardts „Minor Swing“ holte er die klassischen Geigenkollegen Gilles Apap und Volker Biesenbender aufs Podium. Die hatten einen Tag zuvor eine ganz andere Variante von Improvisation gezeigt. Gilles Apap hatte zusammen mit seiner Partnerin Myriam Lafargue am Akkordeon etwa den „Sommer“ aus Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ oder Glucks „Melodie“ neu arrangiert. Und als man das Gefühl hatte, man kenne die Masche Apaps, überraschte dieser durch eine Interpretation von Eugène Ysaÿes „La ballade“, die derart gestisch und klar gestaltet war, dass die Zuhörer vergaßen, hier mit so genannter „Neuer Musik“ konfrontiert zu sein. Ebenfalls Menuhin-Schüler – und gemeinsam mit Christoph N. Müller der planende Geist der gesamten Woche – war Volker Biesenbender. Er war mit seinem Trio „Avodah“ gekommen, das sich virtuos und stilsicher zwischen den Welten von Swing, alter Musik, slawischer Folkore und Musik des 20. Jahrhunderts bewegte. Höhepunkt des Abends: Der Menuhin-Schüler Daniel Hope traf auf den Ravi-Shankar-Schüler Gaurav Mazumdar – gemeinsam produzierte man Intensität und Wohlklang im Lotus-Sitz. Auch ein Konzert mit dem Titi Winterstein Quartett sowie weiteren Sintigruppen ließen das Konzept der Veranstalter aufgehen. Eine bemerkenswerte Art und Weise, improvisierte Musik in einem etablierten Klassikfestival zu positionieren. Dass die Veranstalter selbst auch improvisieren konnten, zeigte die spontane Einladung Biesenbenders an eine Gruppe bulgarischer Sintimusiker mit einem 18-jährigen Primas, an dessen Spiel Menuhin sicher seine Freude gehabt hätte. Da die Gage aber nur für die drei ursprünglich vorgesehenen Gruppen kalkuliert war, glich das Gstaader Publikum das Manko postwendend aus – die Hüte der Bulgaren füllten sich nach dem Konzert mit Franken-Scheinen. Das Kammerorchester Basel ist bekannt für seine Experimente. Dieses Jahr zählte dazu eine Uraufführung eines Violinkonzertes von Jacques Loussier, das einen allerdings etwas ratlos zurückließ. Ganz anders die zweite Uraufführung des Abends: die „Oriental Suite“ von Burhan Öcal und Daniel Schnyder. Schnyder versteht sein Handwerk: Er verwandelte das Kammerorchester Basel unter der souveränen Leitung von Kristjan Järvi in eine Big Band mit Strings, an der Gil Evans seine Freude gehabt hätte. Solosaxophonist Michael Niesemann überzeugte als Improvisator und Interpret. Dass sich diese jazzigen Klänge mit Schuberts Unvollendeter und Bizets „l’Arlesienne“-Suite vertrugen, überraschte niemanden wirklich, dessen Hörerfahrungen durch die Konzertreihe „Tout le monde du violon“ geprägt worden war. Andreas Kolb |
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