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Besuch aus einem fernöstlichen Zen-Kloster? Mit sachten, fließenden Bewegungen nähert sich der Mann. Er hat sich den Kopf kahlgeschoren, trägt ein weites, kuttenartiges Gewand. Man meint, einen Mönch in dem Mittdreißiger zu erkennen, der einem da mit einem gütigen Lächeln entgegentritt und dann mit diesen leicht mandelförmigen Augen fixiert. Dieser ungemein höfliche Mensch kommt nicht aus dem Land der aufgehenden Sonne - er ist ein Schweizer Jazzmusiker – der seine Affinität zur asiatischen, speziell zur japanischen Kultur so verinnerlicht hat, dass man seine eigentliche Herkunft auf Anhieb nie erraten würde. Seine Gruppe „Ronin“ hat der Züricher Pianist und Komponist Nik Bärtsch nach herrenlosen Samurais benannt. Seine Alben tragen Titel, die die Beschäftigung mit fernöstlicher Philosophie verraten. Er sagt Sätze wie: „In der asiatischen Kampfkunst habe ich die Ökonomie der Bewegung gelernt.“ Er vergleicht das Innehalten im Trubel der Musik mit Teezeremonien, die im altertümlichen Japan mitten in der Schlacht abgehalten wurden. Er findet, dass jemand, der sich nach Perfektion in seinem Schaffen sehnt, etwa an japanischer Töpferkunst orientieren sollte: „Es gibt eine Art Rückwärtsbewegung. Man studiert sein Leben lang eine Technik und vervollkommnet sie. Aber der Witz besteht darin, dann eben nicht die perfekte Vase oder Tasse zu schaffen, sondern etwas, das einen Makel besitzt, der etwas Individuelles darstellt. Perfektion hat etwas Leeres. Wenn man das Rohe bei dem, was man herstellt noch erkennt, das Momenthafte, dann ist das das Höchste. Erst das Unperfekte zeigt Charakter.“ Wann sich sein Handeln und Denken gen Osten orientiert hat? Da gibt es einen ganz konkreten Zeitpunkt. Mit 14 hat sich Nik Bärtsch im Kino Akira Kurosawas legendären Film „Ran“ angeschaut. Danach war nichts mehr wie vorher. „Es war so fremd und hat gleichzeitig etwas in mir angesprochen.“ Es hat nicht lange gedauert, bis der Teenager „dem Rohen, dem Archaischen und dem hohen strukturellen Bewusstsein“ in der japanischen Kultur verfallen war. Wer allerdings die Musik von Nik Bärtsch hört, kann sie zunächst keiner Provenienz zuordnen – schon gar keiner fernöstlichen. Begriffe wie „Ritual Groove Music“ oder „Zen Funk“ bemüht er selbst, um dem Sound seiner Gruppen „Ronin“ und „Mobile“ gerecht zu werden. Der eigentümliche Reiz seiner Musik entsteht unter anderem dadurch, dass er sie stark mit repetitiven Elementen anreichert. In seinen Minimal-Music-Kompositionen (die er Module nennt) verdichten sich die Nuancen maximal, bis ein unwiderstehlicher Drall entsteht. Motive umkreisen sich, „Patterns mit listig eingebauter Paradoxie“ zirkulieren und „unter der Oberfläche der Grooves, unter der Süffigkeit des Geschehens liegt eine unheimliche Komplexität“. Nachhören kann man das auf dem neuen Ronin-Album „Stoa“ (ECM). Um solche, wenig Freiräume lassende, von Feinabstimmungen abhängige Musik zu spielen, ist absolute Präzision erforderlich, oder, wie Bärtsch es formuliert, „eine Mischung aus Wachheit, Konzentration und Lockerheit. Es geht schon um einen Zustand der Trance – aber im Sinne von Wachheit. Es gibt ja diese Trance, die eher psychedelisch ist. In der Rockmusik etwa wird oft mit sehr einfachen Patterns gearbeitet, durch die man in eine ziemlich schläfrige Trance hineinkommt. Bei uns ist das nicht so – sonst könnte es dir passieren, dass es dich raushaut aus der Verzahnung. Man muss höllisch aufpassen, dass da nicht plötzlich ein schwarzes Loch entsteht, das dich wegsaugt vom Flow“, sagt Bärtsch, der im Gespräch wenig mönchhaft lossprudelt und seine Sprache managerlike mit vielen Anglizismen durchsetzt. „Unsere Trance ist eher eine Art Meditation, die die Wachheit fördert. Meditation soll ja keine plüschig-esoterische Angelegenheit sein, bei der man sich weltflüchtig in sich zurückzieht. Bei jeder kleinen Veränderung in der Mikrophrasierung oder im Sound passiert in der Gruppe etwas. Wir sind keine Band, bei der das Individuum nach vorne drängt – wir sind ein lebendiger Organismus.“ Ssirus W. Pakzad |
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