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Das Ulmer Zelt ist ein kleines Zirkuszelt und liegt direkt an der Donau. Drumherum Bierbänke und einiges an kleiner Gastronomie. Wenn es am Abend schön, oder sogar noch heiß ist, kann man wunderbar umherschlendern, eine Kleinigkeit essen und trinken. Wenn der Abend schön ist, ist es draußen angenehm und im Zelt immer noch tropisch heiß.
Vielleicht war es deswegen nicht voll während des Top-Events der Zelttage 06. Herbie Hancock spielt schließlich nicht alle Tage in Ulm. Obwohl er in letzter Zeit sehr oft, auch zu kleineren Anlässen auftritt. Hat das was zu bedeuten? Bietet er sich etwa an wie Sauerbier? Das kann nicht sein, denn seine Preise sind nach wie vor saftig. Die Ulmer Veranstalter werden jedenfalls an dem nicht ausverkauften Konzert noch ein Weilchen schön zu knabbern haben. Werden sich jene, die im Zelt waren, an den Abend mit Hancock erinnern?
Wahrscheinlich nicht, denn das Konzert war solide, aber keineswegs außergewöhnlich
im Sinne eines ganz besonderen Ereignisses. Kann man das verlangen? Von
einem Weltklassemusiker wie Hancock, von einem Musiker mit seinem Hintergrund,
seinen Möglichkeiten muss man es geradezu verlangen. Weltklassemusiker
sind nicht deswegen Weltklasse, weil sie ihr Instrument perfekt beherrschen.
Sie müssen in der Lage sein, etwas ganz Besonderes herzustellen.
Ausstrahlung und Tiefe, im besten Fall sogar Magie. Vielleicht war es eben dieser Flügel-Ferrari, der dem Konzert zu Beginn eine abgehobene, um nicht zu sagen, bornierte Ausstrahlung gab. Vielleicht waren es auch die Musiker. Gitarrist Lionel Loueke, Bassist Matt Garrison und Drummer Richie Barshay: ernst und gefasst, kein Blick fürs popelige Zeltpublikum. Auf dem Weg zu großer Musik. Lily Haydn die Violinisten, zeigte einen ernsten Gesichtsausdruck und ihren hübschen Bauch. „Hallo!“, hätte man gerne gerufen. „Wo sind wir denn hier? Dies ist nicht die Carnegie Hall! Und ihr zelebriert keine Messe von Bach, sondern ihr spielt Jazz!“ Das hätte man gerne gerufen, vor allem nach dem, was dann kam. Das nämlich war nicht sehr groß. Herbie Hancock ließ den Synthi ein wenig blubbern und fiepen und sphärisch rauschen und irgendwie wartete man auf den Trockennebel. Und man ertappte sich dabei, dass es ja wohl bedeutend sein müsse, wenn es von einem Musiker wie Hancock kommt. Es ist aber nicht alles bedeutend, was von Hancock kommt. Er hat neben der Fähigkeit zu großer Qualität eine erstaunliche Vorliebe für wohlfeile Sahnehäubchen. Darum hatte dieser Abend auch zwei Gesichter. Beispiele: „Actual Proof“ – lebendig und mit Dampf. Und „Cantaloupe Island“ – zum Rausgehen-und-Bier-holen langweilig. Oder: die Violinistin Lily Haydn. Die wand sich, schluchzte und fiedelte, was das Zeug hergab und jubilierte dazu mit Engelszungen, aber es berührte einen nicht. Ganz anders der afrikanische Gitarrist Lionel Loueke. Er machte so wenig wie nötig und sorgte mit seinem Stück „Virgin Forest“ für einen der raren magischen Momente während des Konzertes. Das war ein unprätentiöses Stück Afrika. Echt und wahr und schön in seiner Schlichtheit. Eine dieser Nummern, die stundenlang weitergehen könnten. Zusammengefasst: Herbie Hancock kann offenbar große Musik machen und völlig unerhebliche zulassen. Er kann es sich leisten, ständig seine Schwerpunkte und Standards zu wechseln. Diese Beliebigkeit kann man ihm vorwerfen. Nicht aber, dass er borniert sei. Das ist er nämlich nicht. Im Gegenteil: Er ist ein freundlicher und erstaunlich zugewandter Plauderer an der Rampe. Trotz des schlichten Zelt-Ambientes und trotz des bombastischen Fazioli. Albert Hefele |
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