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Alltäglich ist es nicht, eine Frau am Kontrabass zu sehen. Jeden Gedanken an das überholte Klischee, dass Frauen zu zart für das größte der Saiteninstrumente seien, zerstört die Bassistin Anne Lieberwirth jedoch sofort.
Zum Einstieg gibt es einen lebendigen Groove in Hard-Bop-Manier. Gleichermaßen warm und energiegeladen klingt der Bass – diese Melange ist das persönliche Markenzeichen von Anne Lieberwirth. Ihre Komposition „Inventing You“ ist eine folgerichtige Erweiterung ihrer Spielweise am Bass: Fließend schreitet die Musik voran, weich gehen die Abschnitte ineinander über. Die Absolventin der Berliner Musikhochschule „Hanns Eisler“ spielte als Teenager Popmusik in verschiedenen Bands. Zuerst an der E-Gitarre, wechselte sie später zum Bass. „Mein Ding sind gerade Sachen, die grooven müssen“, sagte Anne Lieberwirth noch vor fünf Jahren in einem Interview über ihre Affinität zum Rhythmus. Sie hat sich weiter entwickelt: Das zeigt die filigrane Kleinarbeit an melodischen und metrischen Details, wie etwa in der Ballade im ersten Set. Kraftvoll und gleichzeitig federnd elegant ist hier das Solo der Bassistin. Wolfgang Zechlin am Klavier webt derweil schöne, fluoreszierende Linien in den Klang. „Unbekannt verzogen“ heißt ein Stück aus der Feder von Saxophonist Uli Kempendorff; von einer wehmütigen Sehnsucht wird das Thema getragen. Hier kommen vom Klavier spröde, an Monk erinnernde Akkordeinwürfe. Auch die weiteren Stücke sind meist Eigenkompositionen. Sie bestehen eine herausfordernde Gratwanderung: Trotz origineller Melodielinien verbleiben die Themen stets im Wohlklang. Fast zärtlich verschmelzen die Instrumente zu einem polyphonen Klang, auf dem die Themen schwimmen wie Boote auf bewegter See. Alle vier Musiker sind gleichberechtigt an der Entstehung dieses Tongeflechts beteiligt. Strukturiert wird die Musik durch fließende Veränderungen der Klangintensität. Stets bleibt der Verlauf organisch, abrupte Wechsel gibt es kaum. Mit dem Stück „Shelter“, ebenfalls von Saxophonist Uli Kempendorff, schließt das erste Set. Rasche, kräftige walking four am Bass schaffen hier die Basis für einen eruptiven Ausbruch von Schlagzeuger Bodek Janke. Er bildet das Aktionszentrum des Quartetts – die Tiefseeströmung, um beim Bild des Meeres zu bleiben, die die Bewegungsrichtung der anderen Instrumente initiiert. Nach der Pause intoniert Bodek Janke mit Hirtenflöte und um den Knöchel gebundenen Schellen eine einfache, mittelalterlich anmutende Melodie. Plötzlich donnert das ganze Ensemble los – der einzige schroffe Einsatz des Abends. Mit „10/8“, einem weiteren Stück von Uli Kempendorff, geht es dem Ende zu – eine heitere Komposition im ungewöhnlichen Zehnachteltakt. Das Anne Lieberwirth Quartett hat seinen ureigenen Stil gefunden: gleichzeitig intellektuell ansprechend und doch lustbetont. Antje Rößler |
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