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Der Münchner Klaviersommer hatte eigentlich immer einen schweren Stand. Manches Konzert in der frühen experimentellen Phase wurde von der Kritik in der Luft zerrissen, auch die der Stars wie Mitbegründer Friedrich Gulda; von ihr bejubelte Ereignisse wie die Uraufführung von Carla Bleys „Escalator Over The Hill“ fanden wiederum quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Nie konnte es der Klaviersommer allen recht machen. Zuletzt wurde er fast folgerichtig zum Treff der Etablierten, bei dem sich vieles wiederholte. So gesehen ist es fast erstaunlich, dass er 25 Jahre durchgehalten hat, sogar das Krisenjahr 1999 überlebte und immer noch als einziger Ersatz für ein Münchner Jazzfestival internationalen Zuschnitts dasteht. Und noch erstaunlicher ist, dass der Klaviersommer im Jubiläumsjahr tatsächlich ansatzweise zu neuen Ufern aufbrach. Das signalisierte schon formal der Schulterschluss der Szene, als – bis vor ein paar Jahren undenkbar – neben Manfred Freys „Loft“ Andreas Schessls „MünchenMusik“ ebenso unter einem Dach auftrat wie der Bayerische Hof und die Unterfahrt. Auch programmatisch hielten Spannung und neuer Schwung Einzug: So bei der vom Publikum leider missachteten kleinen Weltmusik-Reihe „Between Cultures“ in der Allerheiligen-Hofkirche, vor allem aber bei den bemerkenswerten Aufeinandertreffen von „Young German Jazz“ mit „Masters“ in der Unterfahrt.
Ein Kaleidoskop unterschiedlichster Stile, Projekte und Temperamente traf da aufeinander, mal gemeinsam musizierend, mal mit jugendlichem Ungestüm beginnend, dann wieder den „Meistern“ den Vortritt lassend. Da demonstrierten schon zum Einstieg die Bands von Johannes Enders und Max Frankl, dass es im Münchner Raum zwei junge Jazzgenerationen gibt, von denen noch viel zu erwarten ist. Da fügte sich ein wieder einmal großartiger David Friedman mit seiner klassischen Moderne perfekt in die hypnotischen Schleifen von max.bab. Da bekam – nach den solo vielleicht allzu getragenen Lyrizismen des britischen Tastenstreichlers John Taylor – Holzbläser Wanja Slavin als Leader seines Sextetts Probleme, weil er sich von Gasttrompeter Médéric Collignon widerstandslos unterbuttern ließ. Und da scheiterte Max Grosch mit einem Brahms-Projekt noch spektakulärer als der französisch-amerikanische Pianist Jean-Michel Pilc mit einem völlig verkopft dekonstruktivistischem Anti-Jazz-Solo. Der eine wurde immerhin aufgefangen von den vor Witz sprühenden Eskapaden des Uri Caine „Bedrock Trios“, der andere von den perfekten, fast schon zu perfekten Young Friends. Als all dies bewältigt war, kam – die offizielle Eröffnung des Klaviersommers. Ein toller Abend, bei dem die zum dritten Mal erprobte Abfolge Ausstellungseröffnung, BigBandkonzert im großen Saal und kleine Besetzung im NightClub echte Festivalstimmung erzeugte. Natürlich auch, weil die mit Bläserstars wie Claudio Roditi, James Moody, Antonio Hart oder Jason Jackson gespickte Dizzy Gillespie All Star Big Band mit ihrer Spiellaune ein buntes wie edles Publikum anlockte und auch die Nicht-Bebopper mitriss. Und weil anschließend Tim Ries mit seinem filigranen Rolling Stones Project regelrecht triumphierte. Danach fiel der Klaviersommer wieder in den gewohnten Trott. Die Renommierten lieferten zumeist oft gehörte Kopien ihrer Kunst ab: Ein in die Jahre gekommener Eddie Palmieri versuchte das mit Überaktivität auszugleichen; ein braver Freddy Cole war einmal mehr der Bruder; ein Hank Jones veredelte wie eh und je das Great American Songbook, immerhin gewohnt souverän; sogar Joyce lieferte erst ein biederes Best-of der Musica Popular Brasileira ab, bevor sie sich doch noch freischwamm. Zum Schluss gab’s die traditionelle kubanische Sause plus Richard Galliano. Dazu kamen die „großen“, aber eben auch überraschungsfreien Konzerte andernorts: In der Philharmonie verstand Klaviersommer-Veteran Chick Corea erwartungsgemäß Mozart miss; und im Prinzregententheater verging sich Aziza Mustafa Zadeh an allerlei Klassik, bevor ein wie immer großartiger Gonzalo Rubalcaba nachgereicht wurde. Diese Zweiteilung des Festivals offenbarte, dass man auf dem neuen Weg noch nicht weit gekommen ist. Die neuen Partner agierten neben-, nicht miteinander. Nötig wäre, dass sich die Konzerte in der Unterfahrt und im Bayerischen Hof räumlich, zeitlich und programmatisch durchdringen. Das würde die Begegnung des „armen“ und des „reichen“ Münchner Jazzpublikums ebenso ermöglichen wie die der internationalen Stars mit den Local Heroes. Und dann könnte aus der Konzertreihe namens Klaviersommer ein echtes Festival werden. Oliver Hochkeppel |
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