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Die Fans von James Lasts Musik werden in den seltensten Fällen auch glühende Verehrer von Bertolt Brechts Dreigroschenoper sein. Dennoch steht James Last für eine Aufsehen erregende Version des Bühnenklassikers mit der Musik von Kurt Weill. 1968 übernahm Last die künstlerische Leitung bei der ersten vollständigen Plattenaufnahme des bis dahin nur auf Bühnen präsentierten Musiktheaters. Die Besetzung ist nicht von hauptamtlichen Opern- oder Operettensängern bestimmt, sondern hauptsächlich von Vertretern der seltenen Gattung Sing-Schauspieler. Dabei gibt es ein Wiedersehen mit einer Reihe von deutschen Theater- und TV-Größen, wie Hannes Messemer, Helmut Qualtinger, Hans Clarin, Karin Baal und Martin Held. Wer sich gerne an die 60er-Jahre zurückerinnert, bei dem wird spätestens dann die Nostalgie durchbrechen, wenn der damalige „Mr. Tagesschau“, Karl-Heinz Köpcke, seinen standesgemäßen Auftritt als Ansager hat. Als Moritatensänger interpretiert Liedermacher und Stimme der 68er-Bewegung Franz Josef Degenhardt das bekannteste Lied des Musiktheaters, „die Moritat von Mackie Messer“. Ein Plus für Nostalgiker dürfte auch der Retro-Schallplattenlook dieses wieder aufgelegten Schmuckstücks sein. Die Polydor hat ihre Version der Dreigroschenoper zum 50. Todestag von Bertolt Brecht aus dem Kellerregal geborgen und digital entstaubt. Die zwei CDs beinhaltende Hörspielfassung unter der Regie von Harald Vock besticht vor allem durch die sensibel gekürzten Spielszenen. Dabei kann das Ensemble seine Stärken zeigen, die leichte gesangliche Schwächen wettmachen. Aber auch James Last zeigt, dass er differenziert mit einem Orchester umgehen kann und liefert mit seiner Bearbeitung ein ansprechendes Tondokument im Stil deutscher Fernseh-Unterhaltungs-Orchester der 60er- und frühen 70er-Jahre. Dass Brechts und Weills Werk auch heute noch Strahlkraft besitzt, zeigt das öffentliche Interesse für die aktuelle Neuinszenierung von Klaus Maria Brandauer in Berlin. Brandauer hat sein Ensemble in ähnlicher Weise mit singenden Schauspielern besetzt, wie Polydor es 1968 getan hat und mit Campino von den „Toten Hosen“ als Macheath einen mutigen stilistischen Brückenschlag unternommen, der Brecht sicher nicht übel gefallen hätte. Jörg Lichtinger |
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