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Der Nachname Wein ist mir Verpflichtung. In der Genießer-Zeitschrift „Savoir Vivre“ las ich vor einiger Zeit: „Wein erzieht zur Musik, Musik führt zum Wein.“ Da fühlte ich mich gleich angesprochen. Doch nicht ich war gemeint, sondern mein flüssiger Namensvetter. In Italien sollen sie jetzt schon die reifenden Traubenbeeren mit Vivaldi beschallen, damit die sich an organisierten Lärm früh gewöhnen und dann als gegorener Rebensaft besser mit der Musik harmonieren. Außerdem soll Musik auch die Reifung des Rebstocks beschleunigen und ihn gegen Krankheiten schützen – ganz wie beim Menschen. Mir scheint nur, dass die Kombinationsgenießer von Wein und Musik in beiden Sphären über einen gewissen kulinarischen Instinkt nie recht hinausgekommen sind. Das Komplexeste, was der Autor in „Savoir Vivre“ kennt, ist Gewürztraminer-Schostakowitsch und Sherry-Ravel. „Zeitgenössische Neutöner“ sind für ihn dagegen nur „Dampfhammer“-Komponisten und allenfalls mit einem schnöden Schnaps auszuhalten. Da fragt sich dann doch, wovon der gute Mann weniger versteht: von Wein oder von Musik. Immerhin hört er auch Jazz, aber das ist für ihn bloß eine Art Champagner-Operette. Und was über Fats Waller und Erroll Garner hinausgeht, kommt schon gar nicht in seinen Weinkeller. Was sagt uns das? Ist die musikalische Entwicklung der vinologischen Deutung um Jahrzehnte voraus? Oder ist das vermittelnde Sensorium des Genießers einfach verstimmt? Brauchen wir eine kombinierte musikalisch-gaumentechnische Vorschulerziehung? Ich denke mir: Vielleicht fehlt nur den jungen Trauben der richtige Einstieg. Die sollten mal in Italien bei der Rebstockbeschallung auf Scelsi und Nono, Trovesi und Rava umsteigen. Damit der Wein frühzeitig moderne Qualitäten entwickelt. Rainer Wein |
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