Anzeige |
|
|
Anzeige |
|
„Das letzte Kind liegt einem immer speziell am Herzen und insofern liebe ich diese Produktion besonders“, beschreibt Carlos Bica stolz seine Gefühle für „Believe“ (Enja/Soulfood), die mittlerweile vierte Veröffentlichung des Trios Azul in den zurückliegenden zehn Jahren. Wieder ist dem in Portugal geborenen und heute in Berlin lebenden Bassisten ein schlichtes wie eindringliches Meisterwerk im Grenzbereich von Folklore, Jazz und Kammermusik gelungen. 13 Songs, die in ihrer sinnlichen Melancholie und grenzerweiternden Radikalität beeindrucken und doch so unglaublich vertraut daherkommen, als handele es sich um die Vertonung von sparsam arrangierten Evergreens der Musikgeschichte. Dabei wirkt manches von diesem Album fast fragmentarisch und überzeugt doch in seiner gradlinigen, funktionalen Ästhetik. „Es gibt zu den einzelnen Titeln keine direkten Beziehungen. Mir geht es immer mehr um innere Stimmungen, um visuelle Bilder, die ich versuche, musikalisch umzusetzen“, sagt Carlos Bica. In „Iceland“– so der Titel des ersten Stücks – ist er bisher jedenfalls noch nie gewesen. Frank Möbus, der knochentrockene Gitarrist, gehört wie Schlagzeuger Jim Black von Beginn an zu Azul. Bica erinnert sich: „Frank Möbus habe ich während meines Studiums in Würzburg in irgendeinem kleinen Club gehört und war sofort von seinem Spiel fasziniert. Wir haben uns dann kennengelernt und auch gleich gut verstanden. Er kam kurz zuvor vom Berklee College in Boston, wo er viel mit Jim Black zu tun hatte. Vor 15 Jahren sind wir dann erstmals in Lissabon gemeinsam aufgetreten. Die Chemie zwischen uns hat von Beginn an gestimmt. Als ich 1994 nach Berlin kam und die künstlerische Trennung von Maria Joao anstand, war der Impuls, etwas völlig Eigenes zu tun, sehr stark ausgeprägt.“ So wurde Azul zu Bicas musikalischer Heimat, ohne dass er damals ahnte, wie lang und intensiv diese Zusammenarbeit anhalten würde. Gleich die erste Aufnahme, noch bei Polygram Portugal veröffentlicht, zeigte das unglaublich vielseitige Potential, das in dieser Besetzung steckt. Die Kompositionen lassen den einzelnen Musikern unglaublich viel Raum. Sie schaffen magische Atmosphären, auch, indem sie Instrumente gegeneinander anspielen lassen. Wie kommt es, dass Bica, Möbus und Black der so ständig lauernden Gefahr, ihren Instrumenten und Fertigkeiten selbstverliebt hinterherzulauschen, nie wirklich aufsitzen? „Wir kennen uns alle drei gut und wissen ganz genau, worum es geht. Zwar sind meine beiden Partner große Virtuosen, aber sie dienen letztendlich eindeutig den Songs. Sie wollen aus den Kompositionen das Beste im Sinne der Musik herausholen und schaffen dies auch wunderbar.“ Schon in der Vergangenheit hat Azul zu den Aufnahmeterminen häufig Gäste eingeladen, die den Gesamtsound des Trios um eine Stimme erweiterten. Auf „Believe“ ist dies Vincent von Schlippenbach alias DJ Illvibe. Ein Zugeständnis an den Zeitgeist? „Auf eine gewisse Weise schon, obwohl mich Dinge, die einfach nur trendy sind, im Grunde mehr abschrecken. Aber ich habe Vincent Live gehört und war sofort von ihm begeistert. Sowohl musikalisch, aber auch durch diese Vater-Sohn-Beziehung. Er kam dann ins Studio ohne die Kompositionen zu kennen und ein paar Stunden später waren die Aufnahmen fertig.“ Vincent von Schlippenbach arbeitet ebenso sensibel zurückhaltend wie seine Mitmusiker. In seinen sehr sparsam eingesetzten Samples verliert die Elektronik jede kühle Verschlossenheit. Allein wie er den Song „White Wall“ mit einem leisen Vinyl-Knistern auslaufen lässt, zeigt seinen Sinn für minimalistische Insistenz. Carlos Bica arbeitet auch auf „Believe“ mit der ihm eigenen fast beschwörenden Macht der Melancholie. Spielt bei dem Wahlberliner vielleicht der Gedanke der Sehnsucht eine künstlerisch entscheidende Rolle? „Sehnsucht ja – aber nicht nach Heimat! Die Fähigkeit, leichte, melancholische Melodien zu schreiben, scheint ein Teil von mir zu sein. Ein portugiesischer Schriftsteller schrieb einmal: „Fado ist weder Freude noch Traurigkeit, sondern das Eigenständige dazwischen.“ Vielleicht die passendste Umschreibung für eines der berührendsten Alben in diesem Jahr bisher. Jörg Konrad |
|