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Damals sprach man bayernweit von einer grandiosen Augsburger Jazzszene – bis es zur Schließung des „Underground“ kam. Wie man das Musikertreiben mittlerweile wohl am besten nennt? Desertifikation würde ein Geograph dazu sagen, der Papst könnte von Sektenbildung sprechen, ein Ökonom von schlummerndem Potential. „Des pascht scho“, meinen vielleicht viele Augsburger. Mal sehen. Was es heute gibt in Schwabens Hauptstadt, das sind auf der einen Seite international bekannte Namen wie Wolfgang Lackerschmidt mit Vibraphon, Klarinettist Stefan Holstein oder Walter Bittner am Schlagzeug. Auf der anderen Seite schwimmen musikalische Größen, die versuchen, aus einer kaum beleuchteten Jazzszene hervorzublitzen, paddeln vielfältige Virtuosen im Dimmerlicht privater Scheinwerfer vor sich hin, erstklassige Musiker als Splittergruppen verborgen im Augsburger Kulturlabyrinth – ein Potential an Jazzern, das nicht so recht weiß, wohin es treiben darf. Was bis heute immer noch fehlt, das ist ein musikalisches Netzwerk. Eine Plattform, auf der talentierter Nachwuchs, professionelle Musiker und Veranstalter mit einem breiten Publikum zusammenfinden könnten. Natürlich gibt es jedes Jahr den heiß begehrten „Jazzsommer“, den „Jazz in the City“, das legendäre „Django Reinhardt Memorial“ und regelmäßig hochkarätige Auftritte verschiedener Augsburger Formationen. „Auch die Ausbildungsmöglichkeiten sind in den letzten zehn Jahren enorm erweitert worden. Das führt natürlich zu einem immer besseren Niveau der einzelnen Musiker.“ Daniel M. Eberhard, Musikdozent an der Universität Augsburg und Preisträger des 2005 erstmals von der Stadt verliehenen Jazz-Kunstförderpreises, hätte eigentlich allen Grund zur Begeisterung. „Doch den Musikern fehlt eine entsprechende Lobby.“ Er spricht von einer „völlig unbefriedigenden Situation“ für Musiker, die sich entwickeln möchten: kaum Auftrittsmöglichkeiten, keine richtigen Wettbewerbe und wenig musikalischer Austausch. Ein Musiker muss spielen dürfenDie Ressourcen möchten vernetzt werden, das Potential gefördert. Und dazu gehört eben nicht nur die Ausbildung, sondern auch die Ausübung. „Was wir hier brauchen, sind Sessions“, vernimmt man aus Jazzerkreisen immer wieder. Also einfach ein Ort zum Spielen und Musiker-sein-dürfen. Viele haben 1996 die Schließung der legendären „Underground“-Bar live miterlebt. Für manche von ihnen war das der Wendepunkt hin zum Musikertreiben ohne Halt an einem Ufer. Für Bayern war das ein namhafter Musiker-Treffpunkt weniger. Was seither geschah: Der zum Theater Augsburg gehörige Hoffmannkeller öffnete 2003 auch für Jazzer seine Tore, mit einer zunächst wöchentlich veranstalteten Session. Die regionalen Musiker kamen, begeistertes Publikum auch. So weit, so gut. Doch schon im letzten Jahr wurde das Angebot auf einen Abend im Monat gekürzt. Und immer noch hält die Begeisterung an, der Keller ist jedes Mal bis unters Gewölbe voll. „Der Bedarf ist ganz offensichtlich da“, freut sich Manfred Blaas über diesen Zuspruch des Augsburger Publikums. Er organisiert und betreut die Sessions von Beginn an – und ist nach dem Rückschlag letztes Jahr momentan wieder guter Dinge: Er hofft darauf, dass sich der Zuspruch in einer Ausweitung des Angebots niederschlagen wird. Dr. Ulrich Peters, Intendant des Theaters, steht dabei auf seiner Seite – er hat erkannt, dass der Jam-Charakter nirgends anders sonst so lebt wie derzeit im Hoffmannkeller. Einst kamen sie aus MünchenAlso ein heiteres Treiben in Augsburg, wenn auch ein unstetes? Es scheint zumindest Bewegung drin zu sein in dieser Szene. Doch die Impulse laufen aneinander vorbei, einen gemeinsamen organisatorischen Strang hat bisher noch niemand entdecken können und auch nicht geschaffen. Anfang des Jahres schloss die Kneipe „El Cubano“. Fast zwei Jahre lang spielte hier Tim Allhoff jede Woche mit seinen Jungs auf: fester Termin, festes Publikum, feste Größen. Eines Abends, kurz vor Beginn der Session, erfuhr er, dass dies die letzte sein sollte. Er wurde nachdenklich: „Früher kamen die Münchner Musiker nach Augsburg, um hier zu spielen. Heute ist das längst umgekehrt.“ Derzeit studiert Allhoff Jazzklavier am Konservatorium in München, ist seinem Wohnort Augsburg bisher noch treu geblieben. Das Problem war nun die Suche noch einer neuen Örtlichkeit: ein Lokal mit guter Lage, Klavier vor Ort, und vor allem mit Anwohnern, die „mitspielen“. Nach monatelanger Pause konnten sich die Musiker als Soho Jazz Quintett neu formieren und begeistern seit kurzem jeden Sonntagabend die Gäste des „Café Noir“ – eine urige Studentenkneipe in der Innenstadt, jüngst eröffnet, offen für Neues und dankbar um die vielen Gäste, die durch die Musik von den Straßen herbeigelockt werden. Das richtige PublikumHätten die Jungs keine neue Bleibe gefunden – zu schade wäre das gewesen für ein Publikum, das eigentlich immer wieder großes Interesse an hochwertiger Musik zeigt. Etwa auch bei Veranstaltungen im Kulturhaus „abraxas“ oder in den Gemäuern der „Kulturfabrik“: Beide Einrichtungen sind sehr engagiert, ein reichhaltiges Angebot aufzustellen. Denn Jazzmusik ist heute richtig populär. Neuerdings wirbt auch die Puppenkiste mit der Veranstaltungsreihe „Jazz in die Kiste“. Doch es bleibt die Frage, ob damit die Bedürfnisse für eine Stadt in der Größenordnung Augsburgs – ehemaliger Bewerber um den Titel „Europäische Kulturhauptstadt“ – gedeckt sind. Um die Szene neu mit Leben zu füllen und schließlich auch am Leben zu halten, muss man verstanden haben, dass der Jazz von unten heraus wächst. Und dass gute Musiker dort groß werden, wo sie ihren Platz bekommen. Uta Leidenberger
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