Letztes Jahr veröffentlichte ECM mit der CD „Radiance“
bereits das erste komplette Solo-Konzert in Osaka, das Keith Jarrett
nach sieben Jahren Abstinenz wieder gab. Teile des Tokyoter Konzerts
waren darauf ebenfalls zu hören. Mit „Tokyo Solo“ wagt
ECM den ersten Schritt in Richtung DVD und mit dieser Veröffentlichung
liegt nun der 150. (!) Auftritt Jarretts in Japan vollständig vor.
Sound- und Bildqualität sind brillianter ECM-Standard. Neben einer
Dolby Digital Stereo Tonspur kann man das Konzert auch in Dolby Digital
5.1 oder DTS 5.1 genießen. Die Aufnahme umfasst neben den Improvisationen
sämtliche Zugaben: „Danny Boy“, „Old Man River“
und „Don’t worry ’bout me“.
Von dem beeindruckenden Auftritt an diesem Abend kann man sich nun
ein (im wahrsten Sinne des Wortes) vollständiges Bild machen. Glücklicherweise
hat ECM bei der Produktion auf Kaname Kawachi zurückgreifen können,
der bereits für einige Konzertmitschnitte von Jarrett verantwortlich
war (Tokyo-Solo 1984, Standards 1 & 2). Mit Feingefühl und
Ästhetik fängt Kawachi Atmosphäre wie Musik respektvoll
ein. Auf der leeren Bühne ein Flügel im Lichtkegel, daneben
sorgsam angeordnet ein Tisch mit abgedecktem Gefäß, einem
Handtuch und einer Flasche Wasser, auf der Bank agiert und ringt das
Genie an den Tasten. Jarrett selbst fühlt sich Japan und dem japanischen
Publikum verbunden, das ihn „always has welcomed with an open
mind and heart“ – eine fantastische Voraussetzung für
musikalische Höhenflüge.
Die Struktur des Tokyoter Konzertes ähnelt nur bedingt der von
Osaka, das ein paar Tage zuvor stattfand. Nach zwei einführenden,
suitenartig wirkenden Parts folgt das eigentliche Herzstück seines
Auftritts, Part 1c, der mit fast 20 Minuten praktisch die musikalische
Palingenese des Jarrett’schen Mikrokosmos widerspiegelt. Im weiteren
Verlauf folgen dann wieder kürzere Improvisationen. Am ehesten
war dies konzeptionell bereits auf „Dark Intervals“ aus
dem Jahr 1987 zu hören, wobei Jarretts musikalischer Ausdruck und
die Auswahl der „Wurzeln“, seinerzeit längst nicht
so breit angelegt war wie heute: neben der traditionellen Klassik auch
eine immer stärker werdende Verbundenheit mit „klassischen“
Komponisten des 20. Jahrhunderts.
Die für Jarrett bisher ungewöhnlich interludienhaften Improvisationen
erweitern sein Spektrum und demonstrieren eindrucksvoll und ausdrucksstark,
dass seine Solo-Konzerte noch lange nicht am musikalischen Ende sind:
Sie bleiben ungemein spannend, aufregend und eben ... einzigartig.
Thomas J. Krebs
Ein sehr stimmiges Portrait eines der Genies des Jazz, mit Konzert-
und Studioaufnahmen, Interviews, Gesprächen. Musik gibt es von
einem sehr swingenden Quartett mit Charlie Rouse, Larry Gales, Ben Riley
und einem überaus inspirierten Leader, von einem Oktett unter anderem
mit Johnny Griffin und Phil Woods, und als Höhepunkt einige der
schönsten Soloaufnahmen Monks; allein ,,Just a gigolo“ ist
schon den Kauf wert. Leider kein Booklet.
Joe Viera