Sehr geehrter Herr Kolb,
mit Interesse, Verwunderung und einem gewissen Entsetzen habe ich den
Beitrag „break“ von Joe Viera gelesen. Nun bin ich mir nicht
sicher, ob dieser Beitrag dazu gedacht war, zu provozieren und damit zu
einer Diskussion anzuregen; dieses hätte er bewirkt. Trotzdem sollte
bei einer Provokation (und ich gehe davon aus, dass es so gedacht war)
„sauber“ argumentiert werden.
- Die Bemerkung „falls die Musiklehrer dazu überhaupt fähig
sind...“ ist an Arroganz eigentlich kaum zu überbieten. Vielleicht
sollte der Autor vorher etwas genauer recherchieren.
- Was ist „das Schulministerium“? Mir ist diesbezüglich
nur der Begriff „Kultusministerium“ bekannt. Es gibt eine
Konferenz der Kultusminister. Da werden allerdings keine Lehrpläne
fetsgelegt. Ich habe den Eindruck, dass es sich bei der Formulierung „das
Schulministerium“ um eine unangemessene Pauschalisierung handelt.
Es kann sich dabei nicht um das Land Thüringen handeln. Im Lehrplan
(1999 erarbeitet) für das Fach Musik in Thüringen gibt es für
den Jazz folgende Aussagen:
Klasse 6: Thema: Improvisation nach einer Programmvorlage. Hier gibt es
bereits die Möglichkeit, Jazzelemente einfließen zu lassen.
Klasse 6: Thema: Medienmusik – Musik im Fernsehen, Rundfunk, Funktion
der Musik im Film ...
Klasse 8: Thema: DER JAZZ(!)
Klasse 9: Thema: Musiktheater – unter anderem Musical
Klasse 10: Thema: Musik im 20. Jahrhundert; Freiraum: Jazz in sinfonischer
Musik Klasse 11/12: Thema: Musik im Umfeld des Menschen
Das sind nur die Themen, bei denen eine Beziehung zum Jazz offensichtlich
ist. Darüber hinaus gibt es noch weitere Ansätze, Jazz in der
Schule im Unterricht zu behandeln. Aber eine Verallgemeinerung, es gibt
keinen Jazz an den Schulen, scheint mir haltlos zu sein.
- Die Argumente, die der Autor dafür anführt, weshalb Jazz
nicht in der Schule behandelt werden soll, haben offensichtlich die Absicht,
den Leser in seinem Denken in eine bestimmte Richtung zu lenken. Die unsinnige
Diskussion um E- und U- Musik ist, glaube ich, heute vorbei.
- Kein gutes Gefühl habe ich auch beim Lesen folgender Formulierung:
„... die meisten lernen wirklich guten Jazz (und nur der zählt)
nie kennen...“. Was ist „wirklich guter Jazz“. Mir fällt
da ein Satz ein, den Herbert Wiedemann in dem (auch von der „Jazzzeitung“
empfohlenen) Band „Jazz Klavier Blues“ von Sigi Busch zitiert
hat: „Zuerst kamen die Leute. die den Blues gespielt haben, dann
erst die, die ihn analysiert haben.“ ... Wenn der Autor der Meinung
ist, dass an den Schulen zu wenig im Unterricht für den Jazz getan
wird, dass Musiklehrer auf diesem Gebiet Weiterbildung erhalten sollten,
dann kann ich dem nur zustimmen. Pauschalisierungen, unsinnige Verallgemeinerungen,
sachlich nicht korrekt dargestellte Fakten schaden in diesem Falle dem
Jazz mehr, als dass sie ihm nützen. Ich glaube, dass ich nicht darstellen
muss, dass ich Musiklehrer an einer Thüringer Schule bin. Gestatten
Sie mir ein Erlebnis zu schildern, das ich heute hatte. Ein Schüler
der 11. Klasse hat mir die CDs von John McLaughlin zurückgegeben,
die er sich ausgeliehen hatte. Er fragte mich dann, ob ich auch Musik
von Bill Evans (Pianist!) hätte ...
Jetzt bleibt mir nur übrig zu schreiben, dass ich die Jazzzeitung
gerne lese, mich schon auf die nächste Ausgabe freue, und vielleicht
könnte man das Thema „Jazz an/in der Schule“ stärker
in den Mittelpunkt rücken? Interessant dazu der Beitrag „Getanzte
Freiheit“.
Mit wirklich(!) freundlichen Grüßen,
H. Alscher
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