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Jazzzeitung

2006/07  ::: seite 11

jazzle g'macht

 

Inhalt 2006/07

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / News / break
no chaser:
Musik zum Licht
jäzzle g’macht:
1:0 durch Mayer?


TITEL


Macht der Melancholie
Carlos Bica, sein Trio Azul und DJ Illvibe


DOSSIER
- Brasilien

Die Samba lebt
Eine Reportage aus Bahia

Kultureller Kannibalismus
Ausstellung „Tropicália“ in Berlin zeigt die Vielfalt des Tropicalismo


BERICHTE
/ PREVIEW

Carla Bley und der „Escalator over the Hill“ in Essen || Rainer Michalke lieferte Debut beim 35. Moers Festival ||
Preview: Zehn Jahre „Festival frei improvisierter Musik“ || Weltpremiere in Gstaad: Jacques Loussier & Volker Biesenbender || 25 Jahre Bayerisches Jazzweekend || Jazz an der Donau || 40 Jahre Jazz in Willisau


 PORTRAIT / INTERVIEW

Rahsaan Roland Kirk || Anke-Helfrich-Trio || Wolfgang Muthspiel || Y Move

 JAZZ HEUTE

Leserbrief: 1 // 2
Wo spielt hier der Jazz?
Augsburgs Szenenachwuchs kämpft um seinen Raum im Kulturleben
Nationalmannschaft des Jazz
Das Bundesjugendjazzorchester auf Torjagd für Deutschland


 PLAY BACK / MEDIEN


Vom König der Ballade
Nat King Coles Capitol Recordings
CD.
CD-Rezensionen 2006/07
DVDs. Keith Jarrett – Tokyo Solo; Thelonious Monk: Straight no chaser
Bücher: Zwei praktische Handbücher und britische Big Bands
Noten. Noten-Variationen zum Thema Jazz
Instrumente. Monitorboxen von Samson


 EDUCATION

Ausbildung. Ausbildungsstätten in Deutschland - Fortbildungen, Kurse (pdf) (62 kb)
Abgehört 42 Teil II · Ein Chris-Potter-Solo über „Iowa City“
„Die Posaune ist ein wundervolles Biest“
Jiggs Whigham verabschiedet sich als Jazzlehrer in Berlin


SERVICE


Critics Choice

Service-Pack 2006/07 als pdf-Datei (Kalender, Clubadressen, Jazz in Radio & TV (357kb))

1:0 durch Mayer?

Jazzkonzerte haben es dieser Tage nicht leicht. Obwohl Parallelen zwischen Jazzclub und Arena oftmals bei genauerem Hinsehen offensichtlich werden: Schweiß, Applaus, Leidenschaft, Freude und Bier (beim Jazz oftmals auch Wein). Während Wettkämpfe auf dem Rasen jedoch – Ausnahmen bestätigen auch hier wieder einmal die Regel – erst zum Ende des Spiels entschieden sind und daher per definitionem auch bis dahin spannend bleiben, neigen Jazzfans beizeiten dazu, diese Regel vollkommen abzuändern und auf Konzerte zu übertragen. Unabhängig davon, dass weder die Musiker untereinander noch die Band gegen das Publikum in einen Wettkampf treten, denken immer wieder vornehmlich Herren mittleren Alters, es wäre angebracht, Musiker nach einem virtuosen Lauf anzufeuern („Jaaaaaa!“) und sich anschließend allen Umsitzenden ob des eigenen Fachwissens mitzuteilen („Also Wahnsinn, ich meine, ich habe ja schon viel gesehen, aber dieser XY ist wirklich ein Ass!“). Woher kommt dieses Verhalten? Zum einen ist es zurückzuführen auf die grundsätzliche Bewunderung, die wir Menschen Virtuosen entgegenbringen, weil sie das beherrschen, wozu wir in der Regel nicht imstande sind, entweder gar nicht oder nur dilettantisch (eben das Gegenteil von virtuos) – was allerdings in der Selbstwahrnehmung aufs selbe hinauskommt. Zum anderen hat es jedoch auch damit zu tun, dass wir unser Wissen über das Geschehen auf der Bühne auch gerne als Beweis unserer Fachkompetenz (nur um das klarzustellen: Die Fachkompetenz von uns Musikjournalisten zeigt sich durchweg in einem ausdrucksarmen bis ausdruckslos-arroganten Blick mit einem Anflug wohlwollenden Lächelns nach geglückten Soli). Nun bleibt jedoch die Frage, ob sich die Leistung einer Band sowie die Qualität eines Konzerts an der Virtuosität seiner Akteure messen lässt. Instinktiv wird selbstredend jeder Befragte empört verneinen, die Gespräche nach einem Konzert oder bereits in der Pause sprechen eine völlig andere Sprache – so tönte es jüngst nach einem Konzert des schweizerischen Drummers Jojo Mayer aus jeder Ecke „Also, so was hat man ja noch nie gehört“ (interessant, wie unbedacht das Wörtchen „man“ hier genutzt wird), „Der spielt ja unglaubliche Sachen!“ oder – ein bayerischer Klassiker – ein dreifaches „Wahnsinn, also, Wahnsinn, na, echt, Wahnsinn…!“. Eine Reaktion wie aus dem Lexikon, als hätte man vorher den Eintrag in der Internet-Enzyklopädie Wikipedia gelesen: „Musik wird zumeist als virtuos bezeichnet, wenn sie den Künstler vor beeindruckend schwierige ,handwerkliche‘ Aufgaben stellt, zum Beispiel außergewöhnlich viele Noten in kurzer Zeit oder gleichzeitig zu spielen…“

Geblendet von der zweifelsohne einzigartigen und im wahrsten Sinne des Wortes virtuosen Spielweise von Jojo Mayer scheint so das Gros der Zuschauer zu übersehen, was die eigentliche Leistung einer solchen Band wie eben „Nerve“, die an diesem Abend im Leeren Beutel spielten, ist: Die grenzüberschreitende Kommunikation, die beispielsweise der durchweg aktiv-treibende Mayer und der eher stoisch in sich ruhende Takuya Nakamura an Elektronik und Trompete betreiben und die damit in einem vollkommen wettkampffernen Duell zwischen den beiden gipfelt. Vielleicht ist es aber auch einfach umgekehrt und es ist die faszinierte Begeisterung der Zuschauer über die spielerischen Leistungen, die die tiefe Verneigung vor der hohen emotionalen und kommunikativen Leistung der Musiker überlagert. Denn ähnlich dem Fußball wissen wir alle tief drinnen, dass es vielleicht „nur ein’ Jojo Mayer“ gibt, der aber vor allem im Team aufblüht. Und dass die hohe Kunst des Jazz darin liegt, Authentizität zu wahren und trotzdem Neues zu wagen. Und im Gegensatz zum Fußball, in dem das Spiel 90 Minuten, die WM 4 Wochen und die Bundesligasaison 9 Monate dauert, geht das Spiel mit dem Jazz zwar manchmal nur 40 Minuten, manchmal 3 Stunden und im Endeffekt ewig. Weshalb auch nie einer gewinnen wird.

Sebastian Klug

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