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Der Jazz hat immer wieder mal so seine Phasen. Manchmal springt sogar ein kleiner Boom dabei heraus. Wie etwa Ende der 80er-Jahre, als Auto- und Parfum-Hersteller ihre Produkte plötzlich mit dem Four-Letter-Word schmückten und es angesehenen Nachrichtenmagazinen wie „Time“ plötzlich eine Titelstory wert war. Hollywood schrieb sogar ein paar aufwendig produzierten Spielfilmen das Thema Jazz ins Drehbuch. Und selbst die Major Labels zeigten damals Ambitionen und ließen ihre Talentscouts ausschwärmen, um frisches Jazzfleisch ran zu schaffen.
Damals wurde der Markt mit jungen, oft noch unfertigen Talenten überschwemmt, die die großen Firmen uns als junge Löwen verkauften. Allzu viel Biss zeigten auf lange Sicht aber die wenigsten davon. Dennoch hat die Generation der Musiker, die damals ihre ersten Schritte machten und heute Mitte dreißig, Anfang vierzig sind, einiges an Persönlichkeiten hervorgebracht. Einige beachtliche davon sind etwa beim Münchner Klaviersommer zu hören. Steve Coleman (19. Juli, Nightclub im Bayerischen Hof) oder Geri Allen (22. Juli, Nightclub) braucht man wahrlich nicht mehr vorzustellen. Aber da wäre etwa der Saxophonist Ted Nash, der zu den Führungspersönlichkeiten der New Yorker Jazz Composers Collective gehört. Die gründete sich vor zwölf Jahren quasi als Selbsthilfegruppe und gehört heute zu den einflussreichsten Jazz-Organisationen – mit einem faszinierenden künstlerischen Output. Seltsam, dass noch kein europäisches Festival zugeschlagen und der Komponistenvereinigung ein Forum geboten hat. Beim Klaviersommer wird Ted Nash leider nicht mit einer seiner aufregenden eigenen Formation zu hören sein, sondern nur im Saxophonsatz von Wynton Marsalis‘ Lincoln Center Jazz Orchestra sitzen. Ted Nash hat übrigens schon oft zwischen dem eher konservativen Lager (also Marsalis) und den Köpfen der Collective vermittelt. Jetzt gibt es einen regen musikalischen Austausch. Wenn irgendwann abgerechnet wird, mit dem, was die späten 90er-Jahre und die erste Dekade des neuen Jahrtausends an herausragenden Instrumentalisten zu bieten hatten, dann darf Chris Potters Name nicht fehlen. Der 33-jährige, aus Chicago stammende Saxofonist hat ein Level erreicht, das man nur noch mit offenem Mund bestaunen kann. Von seiner ganz eigenen Tongebung abgesehen, verblüffen der unversiegbare Ideenfluss, die kühn geschwungenen Bögen und Potters ausgeprägter Sinn für Dynamik, wenn er das Tenor- oder Sopransax an die Lippen setzt. Zu diesem Urteil kommen wohl fast alle, die ihn auf der jüngsten Deutschlandtournee des Dave Holland Quintets erlebt oder in sein neues Album „Live At The Village Vanguard“ (Emarcy/ Universal) hineingehört haben. Der Münchner Klaviersommer präsentiert Chris Potter mit seinem elektrischen, basslosen Quartett „Underground“ (21. Juli, Nightclub im Bayerischen Hof). Dem gehört der Gitarrist Wayne Krantz an, der wie der Saxophonist einst Dienst bei Steely Dan tat (wo Potter eines der längsten Instrumentalsoli der Popgeschichte ablieferte), dann der Detroiter Keyboarder Craig Taborn, der mit seinem just erschienenen Album „Junk Magic“ (Thirsty Ear/ Rough Trade) für Furore sorgt, und schließlich der neue Holland-Quintett-Drummer Nate Smith. Auch der Trompeter Dave Douglas ist beim Klaviersommer mit einer eher elektrisch ausgerichteten Gruppe, einem Sextett namens „Freak In“ zu Gast - mit Jamie Saft am Wurlitzer Piano und DJ Olive an den Turntables (25. Juli, Nightclub im Bayerischen Hof). Der 41-jährige Douglas ist ein Phänomen. Nicht nur muss er zu den überragenden Trompetern seiner Generation gezählt werden - als Komponist und Konzeptionalist ist er eine Nummer für sich. Unzählig sind die Projekte unter eigenem Namen, die ihn stilistisch von kammermusikalischen Bereichen und folkloristischen Provenienzen über straight ahead-Terrains bis hin zu Neue Musik- und Avantgarde-Gefilden oder gar symphonischen Ufern führen. Das Frappierende an der unglaublichen, fast schon verwirrenden Schaffenswut des Musikers ist, dass keines seiner Konzepte beliebig, sondern im Gegenteil – sehr ausgreift wirkt und Douglas jedem Werk seinen persönlichen Stempel aufzudrücken vermag. Dafür gebührt dem Mann mit dem lichten Haarkranz eigentlich ein Heiligenschein. Text und Foto: Ssirus W. Pakzad |
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