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Jazzzeitung
2004/07 ::: seite 16
rezensionen
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Miss Peggy Lee – An autobiography, Bloomsbury Publ., London,
213 Seiten
Norma Deloris Egstrom – ihr Geburtsname (sie war norwegisch-schwedischer
Abstammung) verbrachte in North Dakota eine harte Jugendzeit. Mit 17
Jahren ging sie nach Kalifornien. Sie wollte schon vorher Sängerin
werden und hatte bereits mit 15 Jahren Auftritte in einer Radiostation.
Aber der Weg nach oben war steinig. 1941 schließlich, 21-jährig,wurde
sie von Benny Goodman engagiert, und ihre Weltkarriere begann. Mit „Mañana“,
„Fever“, „Lover“ und anderen Titeln, zum Teil
mit eigenen Texten, hatte sie immer wieder große Erfolge. Einige
stürmischen Ehen und mehrere schwere Krankheiten konnten sie nicht
aufhalten. Sie war eine Kämpfernatur, was man ihrer klaren, melodischen
Stimme nicht sofort anmerkt. Aber ein Einfluss des Blues ist häufig
spürbar. Und sie ist stolz auf das Lob Louis Armstrongs: „[He]
said I always knew how to swing…“
Ihr Buch ist eine spannende Lektüre; sie liebt es, Geschichten
zu erzählen, und sie hat ein gutes Namensgedächtnis. Manchmal
wären der besseren zeitlichen Orientierung halber ein paar Jahreszahlen
mehr angebracht gewesen. Eine komprimierte Diskografie ist beigefügt
dem Leser, sollte er Peggy Lee noch nicht kennen, sind viele Entdeckungen
sicher.
Edward N. Meyer: Giant Strides – The legacy of Dick Wellstood,
The Scarecrow Press, Inc., USA, 269 Seiten (= Studies in Jazz 32, herausgegeben
vom Institute of Jazz der Rutgers University)
Nach Meinung der Aktualitätsfetischisten und Neuheitenfreaks
hätte Dick Wellstood, geboren 1927, also drei Jahre jünger
als Bud Powell, unbedingt Bebop-Pianist werden müssen. Aber sein
Interesse galt in erster Linie der Musik von Joe Sullivan (sein erstes
Vorbild), Fats Waller und anderen aus dieser Schule, und so wurde er
ein brillanter Stridepianist, der freilich nicht „nur“ Stride
spielte, sondern diese Begleitform mit anderem mischte, und der auch
Scott Joplin, Zez Confrey, Duke Ellington, Thelonius Monk und McCoy
Tyner liebte. Er substituierte häufig Akkorde, was sein Spiel mit
Überraschungen würzte und manchen Hörer verwirrte. Sogar
„Giant Steps“ gehörte zu seinem Repertoire, das er
mit den Worten ankündigte:“ An old ragtime piece written
by John Coltrane.“ Überhaupt war er ein sehr witziger Typ,
oft mit einem sarkastischen Unterton. Das zeigt sich auch in seinen
Liner Notes und Aufsätzen, und in anderem Geschriebenem, so in
seinen „Guidelines“, die er Veranstaltern seiner Konzerte
vorher zukommen wollte. Da heißt es etwa:
- Artiste has no friends and any persons claiming entree backstage
under the guise of friendship are liars.
- Artiste’s representative shall not let well-meaning amateur
promoters tell Artiste what to do.
- Artiste does not want to hear any records by any other musician,
ever.
Wie aktuell! Man sieht, die Lektüre dieses faktenreichen und
hervorragend geschriebenen Buches lohnt sich aus vielerlei Gründen.
Schade nur, dass es so wenige Photos enthält und keine eingehenden
Analysen der Musik Dick Wellstoods (durch einen zweiten Autor). Dafür
gibt es aber eine ausführliche Diskografie.
Joe Viera
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