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Schon im dritten Jahr ist Michael Hornsteins Projekt Jazz Orange in der Münchner Musikbar Kilombo zu hören. Im Club spielen – das hält der 41-jährige Altsaxophonist für unverzichtbar. „Das Live-Spielen muss Zukunft haben“, sagt er. „Die Clubs waren immer das Experimentallabor für Musiker, auch im Pop. Warum waren James Brown und die Beatles so überragend? Sie sind jahrelang durch die Clubs getingelt.“ Mit Jazz Orange gelingt es Hornstein, dem Jazz-Ghetto zu entkommen – dorthin, „wo das Leben ist“. Sein Erfolgsrezept heißt Live-Spielen plus Elektronik. Die Inspirationen für Jazz Orange holte er sich von LTJ Bukem, Courtney Pine, Branford Marsalis, Joo Kraus und von Miles’ später Platte „Doo-Bop“. Benedikt Hoenes (elektronische Drums und Samples) ist Hornsteins wichtigster Partner in der Formation: Gemeinsam entwickeln sie die Sounds und Grooves, zu denen Hornstein kühl improvisiert. Dieser Elektronik-Jazz-Mix hält das junge Publikum bei der Stange – und bringt den Jazzmusiker in die Bar zurück, das „klassische Biotop des Jazz“.
Aber es gibt auch noch den anderen Michael Hornstein. Der bläst sich – im Duett mit dem Pianisten und Bebop-Freak Claus Raible – durch ein rein akustisches Programm mit langsamen Blues und Balladen. Da kann man Hornsteins runden, expressiven Altton und sein reifes, ausgeschlafenes Phrasieren in Ruhe genießen. Jazz-Tugenden pur. „Mir geht es um Sound, um einen klanglich orientierten Ansatz“, sagt der Münchner über sein Saxophonspiel. „Viele Jazzmusiker spielen einfach zu viele Noten. Ich beschäftige mich mit dem Weglassen.“ Hornstein will nicht glänzen, sondern Geschichten erzählen. Kein Wunder, dass er Saxophonisten wie Ben Webster, Archie Shepp und auch Günther Klatt mag. Zum Jazz kam Hornstein durch Charlie Parker. Den hörte er als Teenager beim Vater eines Freunds. Daraufhin besorgte er sich umgehend ein Altsaxophon, nahm Unterricht, wurde über den Saxophonlehrer nach Graz an die Jazzschule vermittelt. Karlheinz Miklin war sein Professor dort, unter den Kommilitonen befanden sich Walter Gauchel, Johannes Barthelmes, Frank Loef und Christof Lauer. Es war eine turbulente, chaotische Zeit, diese zweieinhalb Jahre in Graz. Danach schickte ihn seine Mutter zum fernen „Onkel in Amerika“: Der Aufenthalt auf dessen Farm in Pennsylvania sollte wohl eine erzieherische Maßnahme sein. Doch dieser „Onkel“ war kein anderer als Bob Dorough, der legendäre Jazzsänger und Bop-Hipster. Und bei dem fühlte sich Hornstein weitaus wohler als an der Berklee School. „Dort werden professionelle Musiker ausgebildet, das hat mich nicht so interessiert. Ich war ganz anders drauf.“ Nämlich: freakiger, abenteuerlicher, unsteter. Eben wie sein Onkel Bob, obwohl er mit dem gar nicht verwandt ist. Dank des „Neffen“ kam Dorough später eine Zeit lang regelmäßig zum jährlichen Gig nach München. Anfang der 90er geriet der Saxophonist in seine „Ornette-Phase“, wie er selbst es formuliert. Das Ergebnis war 1993 die Trioplatte „Langsames Blau“, deren magische Mischung aus Hitze und Entspannung von den Kritikern als „absolute Sensation“ gewertet wurde. Zwei Jahre später legte Hornstein mit „Innocent Green“ nach, einem leichtfüßigen Zauberwerk, aufgenommen in Connecticut mit Roberto Di Gioia und prominenter amerikanischer Unterstützung: dem Bassisten Gary Peacock, dem Drummer Billy Hart und Hornsteins bewährtem „Onkel Bob“. Danach war eigentlich ein Karrieresprung fällig, doch den abenteuerlustigen Hornstein verschlug es in seine nächste Phase: die Begeisterung für die Elektronik. Anstatt das Live-Spielen zu intensivieren, experimentierte er mit Synthesizern und Computern und Trip-Hop-Sounds. Dazu kam, dass Fred Braceful, der Drummer seines Trios, 1995 an Leberkrebs starb. Hornstein war bis zuletzt bei ihm. Nach dieser Erfahrung schien es ihm unmöglich, mit einem neuen Drummer weiterzumachen. „Da kam mir immer das Erinnern dazwischen.“ Hans-Jürgen Schaal
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